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Vertragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker?: Tragikomisches von unserem Körper und denen, die ihn behandeln (German Edition)

Vertragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker?: Tragikomisches von unserem Körper und denen, die ihn behandeln (German Edition)

Titel: Vertragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker?: Tragikomisches von unserem Körper und denen, die ihn behandeln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Jötten
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ihre Einkaufstüten auf einen Sitz ein paar Reihen weiter vorne gewuchtet. Jetzt zischte sie den Mann auf dem gegenüberliegenden Platz an: «Müssen Sie so breitbeinig dasitzen? Es gibt auch noch andere Menschen hier!» Allerdings hatte sie noch einen Sitzplatz sowohl für sich selbst als auch für ihre Tüten gefunden. Der Mann, um die 40 und augenscheinlich mit Migrationshintergrund, schaute verwirrt von seinem Handy auf. Die Frau beruhigte sich gar nicht. «Sie sitzen da, als seien Sie alleine auf der Welt …» Der Mann sah entgeistert aus, vielleicht verstand er die Frau noch nicht einmal. Er stand auf und setzte sich woandershin.
    Ich hätte einschreiten, dem Mann beistehen und die U-Bahn-Pöblerin zur Rede stellen müssen. Leider äußerte sich meine Art von Schlagfertigkeit so, dass mir erst nach dem Aussteigen einfiel, was ich hätte sagen müssen. «Wir haben Hoden! Wir können deshalb nicht mit derart geschlossenen Beinen dasitzen wie Sie!» In meinen Gedanken kam ich richtig in Fahrt. «Hoden sind der Grund, warum Sie überhaupt hier sind! Nicht meine, zum Glück, es wäre mir wirklich unangenehm, wenn die etwas mit der Zeugung einer so unsympathischen Person zu tun hätten. Aber die Hälfte von Ihnen geht auf die Hoden Ihres Vaters zurück. Ohne Hoden keine Menschheit!»
    Das wurde mir in diesem Moment auch erst klar. Mehr noch, ich sah: Wenn ich der letzte Mann auf der Erde wäre, dann wären – so weh mir das tut – nicht meine Persönlichkeit oder mein Gehirn wichtig für den Fortbestand unserer Art, sondern meine Hoden. Ist es da wirklich zu viel verlangt, ein bisschen mehr Ehrfurcht für die männlichen Keimdrüsen zu fordern?
    Hoden haben keine Lobby und keine Medienpräsenz. Vielleicht müsste man mal mit «Hoden!, Hoden!»-Sprechchören durch die Straßen ziehen, um das zu ändern. Jeder weiß doch heute, wie wenige Geburten wir haben – es ist eine gesellschaftlich wichtige Aufgabe, auf Hoden aufzupassen. Wenn Hoden zu warm werden, ist das schlecht für die Spermienqualität. Hoden brauchen Kühlung – durch breitbeiniges Sitzen, zumindest gelegentlich.
    Auch ich tue es, wie mir gerade wieder vorgeworfen wurde, als ich einer Freundin meine Fotos vom letzten Urlaub zeigte. Auf einem Bild sitze ich auf einem Campingstuhl, breitbeinig. «Mein Gott, wie sitzt du denn da?», musste ich mir anhören, nicht zum ersten Mal.
    Vielleicht ist es eine anzügliche Geste für Frauen, die Beine zu spreizen – für Männer ist es das nicht. Wir tun es beim Fußballgucken, beim Verzehren von Grillfleisch oder eben beim Lesen in der U-Bahn, also immer dann, wenn unsere Gedanken von Sex maximal weit entfernt sind. Wir sitzen so, wenn wir selbstvergessen und entspannt sind. Ich habe jetzt gelesen, dass Männer mit breitbeinigem Sitzen Dominanz demonstrieren wollen: Je weiter geöffnet die Beine, desto größer die Macht – das behaupten jedenfalls ein paar Verhaltensforscher.
    Vielleicht hat die Dame in der U-Bahn das auch gelesen und war deshalb so sauer auf ihren Sitznachbarn, und vielleicht war meine Freundin deshalb so pikiert, als sie mich auf dem Urlaubsfoto breitbeinig sitzen sah. Für mich jedenfalls stimmt es nicht. Ich möchte niemanden dominieren. Ich habe über nichts und niemanden Macht, noch nicht einmal über meine Beine, sonst würde ich natürlich nie breitbeinig sitzen. Es ist ein inneres Bedürfnis, ein Hodenschutzreflex, dem ich und die anderen Breitbeinig-Sitzer uns beugen. Wir setzen uns damit gegen die Überalterung der Gesellschaft und den Fachkräftemangel ein! Dafür darf man doch wohl etwas Dankbarkeit erwarten.
    «Rauchen schädigt das Spermien-Erbgut.»
    Hans-Christian Schuppe, Professor für Andrologie am Universitätsklinikum Gießen, über Gefahren für die Spermien.

    Die Temperatur im Hoden hat Einfluss auf die Qualität der Samenzellen. Die Hoden sind außerhalb des Körpers, weil die Reifung der Spermien am besten bei einer Temperatur funktioniert, die zwei bis drei Grad Celsius unterhalb der Körperkerntemperatur liegt. Damit das heiße arterielle Blut nicht in die Hoden schießt und sie zu stark erwärmt, gibt es ein Kühlsystem: das Venengeflecht um die Hoden. Das wirkt aber nur, wenn ein Mann steht oder geht. Im Sitzen, gerade wenn man mit übereinandergeschlagenen Beinen sitzt, funktioniert es nicht mehr.
    Folgen einer Hodenüberhitzung sind, dass weniger Spermien gebildet werden und diese nicht so agil sind. Wenn ein Mann über zwei bis drei Tage hinweg eine

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