Vertragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker?: Tragikomisches von unserem Körper und denen, die ihn behandeln (German Edition)
der Grund für meine Schlafprobleme? Ich entschließe mich, einen kalten Entzug zu machen. Laut Wissenschaft muss ich tatsächlich mit Entzugserscheinungen rechnen.
Tag 1 ohne Kaffee ist grausam. Ich fühle mich wie benebelt. Dass ich den ganzen Tag nicht richtig wach werde, ist nicht mal das Schlimmste. Jeder Schritt, jede Bewegung fallen mir dreimal so schwer wie sonst. Ich bin unbeweglich, und die Muskeln schmerzen. Dazu: Kopfschmerzen. Ich schlafe schlecht.
Tag 2 beginnt genauso. Ich fühle mich wie gerädert. Da ist dieses Loch im morgendlichen Ritus. Kein herrlicher Kaffeeduft. Als ich den Kühlschrank öffne, ist da dann doch noch der verführerische Duft der Kaffeebohnen. Ich knalle die Tür zu und mache mir einen Pfefferminztee. Eigentlich wollte ich heute zum Sport, aber daran ist überhaupt nicht zu denken.
Tag 3 lässt sich besser an. Ich bin zwar immer noch müde, fühle mich aber fitter. Und ich habe besser geschlafen als sonst. Ich gehe eine Runde joggen. Es ist hart. Ich tippele vor mich hin, schaffe die Runde mit Ach und Krach. Danach ist mein Kreislauf unten. Normalerweise mache ich mir nach einer Morgenrunde immer einen Espresso. Heute muss es ohne gehen. Die innere Stimme mahnt mich wegen meines niedrigen Blutdrucks. Ich sage ihr, sie soll den Mund halten.
Ich schaffe es gerade noch, diesen Text fertig zu schreiben. Ich werde weiter clean bleiben, liebe Leser. Ab heute bin ich ein Expresso.
Koffein – die unterschätzte Droge
Koffein ist eigentlich ein Insektengift und schützt die Kaffeepflanze vor Insektenfraß. In unserem Gehirn wirkt Koffein anregend, indem es an Adenosinrezeptoren der Nervenzellen andockt. Adenosin drosselt die Zellaktivität, wenn das Gehirn müde ist.
Koffein verstärkt die Ausschüttung und Wirkung des Stresshormons Adrenalin. Mit den bekannten Folgen: Anstieg des Blutdrucks, der Herzfrequenz und des Muskeltonus.
Eine kleine Tasse Espresso ( 2 , 5 cl) enthält etwa 30 mg Koffein. Die tödliche Dosis für einen Erwachsenen liegt bei 10 Gramm. Das würde 333 Espressi entsprechen. Vergiftungserscheinungen können schon ab 1 Gramm auftreten und äußern sich in Schlaflosigkeit, Unruhe, Hör- und Sehstörungen, Herzrasen sowie Herzrhythmusstörungen.
Bei täglichen Dosen von mehr als 200 Milligramm Koffein reagiert das Gehirn mit Gewöhnung. Die Adenosinrezeptordichte wird erhöht. Chronischer Koffeinismus kann zu Schlaflosigkeit, Angsterscheinungen, Hyperaktivität und Konzentrationsstörungen führen.
Bei regelmäßig hohem Koffeinkonsum kommt es innerhalb von zwei Wochen zur Abhängigkeit. Die Entzugserscheinungen bei «Koffeinismus» sind unangenehm. In einer Metastudie aus dem Jahr 2004 wurden sie erstmals systematisch untersucht: Kopfschmerzen, Müdigkeit, Antriebslosigkeit, depressive Verstimmungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Reizbarkeit und Beeinträchtigung der Wahrnehmungsfähigkeit. Die Entzugserscheinungen treten erstmals zwischen 12 und 24 Stunden auf, haben ihre höchste Intensität nach einem bis zwei Tagen und können bis zu neun Tage andauern.
PILLE-PALLE
Was wir so alles schlucken
«Würfe man alle Medikamente der Welt in den Ozean, wäre dies gut für die Menschheit und schlecht für die Fische», sagte der amerikanische Medizinprofessor Oliver Wendell Holmes im Jahr 1842 . Holmes, ein großer Gelehrter seiner Zeit, kommentierte damit die schlechte Wirksamkeit der damaligen Pharmazeutika. In den 170 Jahren, die seitdem vergangen sind, sind die Medikamente besser geworden, trotzdem sind sie – und da bewies Holmes prophetische Qualitäten – tatsächlich nicht gut für die Fische, weil Medikamentenrückstände im Wasser ein echtes Problem sind – für die Fische, aber auch für uns direkt, die wir das Wasser trinken.
Wie auch immer, zu verdanken haben wir wirksame Mittel den strengen Zulassungsbeschränkungen. Ein Arzneimittel muss beweisen, dass es einem Placebo, einem Scheinmedikament, überlegen ist. Klingt nach wenig, ist aber in Wirklichkeit viel, denn Placebos können in manchen Anwendungsbereichen außerordentlich wirkungsvoll sein. Und das sogar, wenn man den Leuten sagt, dass sie nur Scheinmedikamente nehmen. 2010 machten Ärzte der
Harvard Medical School
eine Studie an Patienten mit Reizdarmsyndrom. Sie wollten die Wirksamkeit von Placebos untersuchen und gaben einer Gruppe Patienten Scheinpillen, die andere Gruppe erhielt gar keine Medikation. Das Besondere: Die Ärzte sagten den Patienten, dass sie tatsächlich nur Placebos
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