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Vertragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker?: Tragikomisches von unserem Körper und denen, die ihn behandeln (German Edition)

Vertragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker?: Tragikomisches von unserem Körper und denen, die ihn behandeln (German Edition)

Titel: Vertragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker?: Tragikomisches von unserem Körper und denen, die ihn behandeln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Jötten
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Heizsaison losgeht, was für Hausstaubmilben ungefähr so großartig ist wie für uns Hochsommer.
    Früher oder später bin ich wieder drauf, auf dem Xylo. Aber ich weiß ja, dass ich jederzeit damit aufhören kann. Habe ich ja auch schon oft genug.
    Wie Xylometazolin wirkt
    Xylometazolin ist ein Sympathomimetikum, das heißt, es imitiert die Wirkung des Sympathikussystems. Diesem Alarmsystem in unserem Rückenmark hat unsere Spezies ihr Überleben in rauen und grauen Vorzeiten zu verdanken: Das Sympathikussystem schüttet das sprichwörtlich gewordene Adrenalin aus, wenn’s ums nackte Überleben geht.
    Kommt der Feind, muss schnell gehandelt werden. Kämpfen oder Fliehen sind dann die einzigen Optionen. Entschieden wird das auf Rückenmarksebene, jeder Ansatz zerebralen Rumgrübelns wäre der sichere Untergang. Flucht wie Kampf fordern dem Körper einiges ab. Daher wird der Muskeltonus hochgefahren, das Herz schlägt schneller, weil auf jeden Fall mehr Sauerstoff verbraucht werden wird. Der Blutdruck steigt. Auch eine freie Nase ist sehr hilfreich, wenn man womöglich gleich um sein Leben rennen muss. Das Sympathomimetikum Xylo wirkt wie Adrenalin – es lässt die Blutgefäße enger werden. In der Nasenschleimhaut führt das zum gewünschten Abschwellen – und zwar schnell, so, wie man’s vom Sympathikussystem im Ernstfall gewohnt ist.

FREDERIK JÖTTEN

Wer jede alte Arznei wegwirft, hat keine Ahnung
    !
    Die Hausapotheke ist gut gefüllt, doch bei den meisten ist das Verwendbarkeitsdatum schon längst überschritten – benutzen kann man viele Medikamente trotzdem noch.
    Manchmal kommt es mir vor, als sei die Hausapotheke in meiner Kommodenschublade besser sortiert als die Apotheke gegenüber. Das liegt daran, dass ich jedes Medikament, das mir je verschrieben wurde, beziehungsweise seine Reste, aufbewahre. Meine Meinung ist: Es ist immer gut, Stoff zu haben, gegen alles, was man sich vorstellen kann. Meistens erwischt es einen doch, wenn die Apotheke gegenüber nicht geöffnet hat. Oder man braucht Medikamente, die verschreibungspflichtig sind, und hat keine Zeit oder Kraft, sich krank zum Arzt zu schleppen.
    Ich habe also noch das starke Schlafmittel, das mir in der Nacht vor meiner Nasenscheidewand-Operation Ende der 90 er Jahre gegeben wurde, falls ich nicht zur Ruhe kommen sollte. Ich schlief ganz gut ohne und nahm es mit nach Hause – wer weiß, vielleicht würde ich es auf einem Langstreckenflug einmal brauchen oder falls ich eines Nachts mal unter totaler Insomnie leide? Seitdem wartet es in meiner Schublade auf seinen Einsatz, genauso wie das Parasiten-Medikament aus Uganda, das ich mir sicherheitshalber mal gekauft hatte, als ich in eine entlegene Region fuhr. Dann sind da noch die künstlichen Augentropfen meines ersten Versuchs, Kontaktlinsen zu tragen: abgepackt in Einzelportionen und verwendbar bis Juli 2003 .
    Vieles aus meiner Hausapotheke ist längst über das Verfallsdatum hinweg, Spitzenreiter ist die antiseptische Jodsalbe, abgelaufen am 19 . 07 . 2000 . Ich benutze sie trotzdem weiter, es war eine große Tube, sie hält wohl noch zehn Jahre.
    Wer alle Medikamente wegwirft, die älter als ihr Verfallsdatum sind, interpretiert den Begriff «Verwendbarkeitsdatum» zu pessimistisch. Ich erinnere mich an den Bruder meiner ersten Freundin, wie er in der Küche stand und eine Dose mit einem weißen Pulver in den Müll warf, weil auf dem Deckel ein Datum stand, das zwei Wochen zurücklag. Es handelte sich um reines Vitamin C, auch genannt Ascorbinsäure, in Wasser aufgelöst so sauer wie Essigsäure, aber hier in staubtrockenem Zustand. Bakterien, die sich darin rasant vermehren könnten, muss die Evolution noch erfinden. Gut, vielleicht schafft sie das, wenn wir tonnenweise unnötig Vitamin C auf den Müll werfen, vielleicht wird es dann auch irgendwann Erreger geben, die sich in Bergen von Schlafmitteln und keimtötenden Salben vermehren können – aber bis dahin fühle ich mich noch sicher.
    Es entstehen in einer Verpackung aus reinen Substanzen meistens keine schädlichen Stoffe (mit gefährlichen Ausnahmen, siehe unten). Meistens passiert Folgendes: Das Mittel wirkt etwas weniger gut, weil ein Teil des Wirkstoffs mit der Zeit abgebaut wird. Eine Jodsalbe wird aber trotzdem immer noch besser desinfizieren als Wasser. Bevor ich eine Wunde nicht behandeln kann, weil ich nichts Geeignetes zur Hand habe, benutze ich eben die Salbe weiter, die in diesem Jahr ihr 13 -jähriges Verfallsjubiläum

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