Vertrau deinem Herzen
Möwen Kekse zuwarfen, die diese mitten im Flug fingen. Alleine der Anblick der beiden schien ihre Verzweiflung zu mildern – zumindest ein wenig. Sie waren so süß zusammen, die beiden Rotschöpfe. Als sie sie beobachtete, verspürte sie auf einmal eine Leichtigkeit in ihrer Brust. Ein Gefühl von ... Besitzerstolz.
Sie winkte ihnen zu, und die beiden eilten die Treppen herunter. „Das ging aber schnell“, rief Kate ein wenig atemlos. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich, als sie näher kam. „Was ist passiert?“
„Ich hab’s mir anders überlegt“, sagte Callie. „Ich geh da doch nicht hin.“
„Aber der Fotograf ...“
„Oh, die Fotos mache ich trotzdem. Aber er wird mich so nehmen müssen, wie ich bin.“
Wie sich herausstellte, tat er genau das. Sie trafen sich an Kates Haus – Mr Saloutos und zwei Assistenten –, und er arbeitete schnell und mit großer Professionalität. Anfangs war Callie nervös und unsicher, aber sobald sie draußen war, den See im Hintergrund hatte, fing sie an, sich so groß und weit zu fühlen wie die Landschaft selber. Zum Teufel mit Luke! dachte sie und schaute direkt in die Kamera. Heute ging es mal nur um sie, und das würde sie genießen.
28. KAPITEL
K ate saß mit dem Laptop auf den Verandastufen und formulierte Fragen, die sie Callies Mutter im Interview stellen wollte. Aaron spielte mit dem Hund im Garten, und Callie war mit dem Bus zu ihrem Kurs in die Stadt gefahren. In der Zwischenzeit sollte Kate ein gutes Stück mit ihrer Arbeit vorankommen, aber im Moment fragte sie sich, ob sie wirklich dafür gemacht war, ihr Geld als freie Journalistin zu verdienen. Alleine das Überlegen der Fragen bereitete ihr Bauchschmerzen. Sie konnte sich weder vorstellen, sie zu stellen, noch, ehrliche Antworten darauf zu erhalten.
Ms Evans, was hat Sie dazu gebracht, in einer Kommune zu leben, die von einem Pädophilen geleitet wurde?
Wussten Sie, dass er Ihrer Tochter nachstellen würde, sobald sie in die Pubertät käme?
Und später, als Sie sie in Tacoma zurückgelassen haben – hatten Sie da angenommen, irgendjemand würde Ihnen das als verantwortungsvolle Erziehung auslegen?
In ihrem Studium hatte sie grundsätzliche Regeln dafür gelernt, wie man sogar den widerspenstigsten Personen Informationen entlockt. Aber sie konnte sich nicht erinnern, was zu tun war, wenn das Interview selber schon widerspenstig war. Vielleicht nutzte man dann die uralte Methode, die immer funktionierte: Man ließ den Interviewpartner reden, machte sich Notizen und schrieb dann die Wahrheit.
Was wird es Callie bringen, wenn ihr Leben in der Presse breitgetreten wird? JDs Missbilligung schlich sich in ihre Gedanken und unterspülte ihre Überzeugung. Halt den Mund! wollte sie sagen. Geh weg! Seine Meinung sollte ihr nicht mehr wichtig sein. Sie war eine eigenständige Person, schon immer gewesen, und für ein paar verrückte Wochen hatte sie sich erlaubt, das zu vergessen. Jetzt war sie wieder klar im Kopf und entschlossen, über ihn hinwegzukommen. Je eher, desto besser.
„Mom“, rief Aaron aus dem Garten. „Hey, Mom, schau mal!“
Dankbar für die Ablenkung, stellte sie den Laptop zur Seite, schlang die Hände um die Knie und lehnte sich zurück, um ihrem Sohn zuzusehen. „Ich bin bereit, Großer“, rief sie ihm zu.
Er lockte Bandit in ein Kunststück, das sie den ganzen Sommer über geübt hatten. Ab und zu hatte es geklappt, aber das war mehr Zufall gewesen. Heute jedoch führte der Hund den Trick perfekt aus.
„Lass uns beten“, sagte Aaron, streckte seine Hände hoch und schaute in den Himmel.
Sofort setzte sich der Hund, streckte die Pfoten aus und senkte den Kopf, bis Aaron sagte: „Amen!“ Dann sprang Bandit auf und rannte wild im Kreis.
Kate war begeistert. Denn auch wenn Bandit ein ganz liebenswerter Kerl war, war er doch nicht der hellste Stern am Hundehimmel. Seine Fähigkeiten hatten sich bisher in dem Befolgen von einfachen, aus einem Wort bestehenden Kommandos erschöpft.
Zumindest hatte sie das gedacht. Dank Aarons Hartnäckigkeit hatte der Beagle aber doch noch einen neuen Trick gelernt. Und Kate hatte ebenfalls etwas gelernt: Man sollte niemanden vorschnell abschreiben, nur weil man denkt, er hätte keine Begabung.
„Ihr seid unglaublich, ihr zwei!“, freute sie sich. „Ich bin stolz auf dich, Aaron.“
Er richtete sich ein bisschen gerade auf und grinste ein wenig breiter. „Stolz genug, meinen Hausarrest aufzuheben?“
„Das hättest du wohl
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