Vertrau deinem Herzen
man sie los und zieht weiter. Vertrau mir, es ist besser so. Nur wir beide.“
„Klar, Mom.“
In besinnlichem Schweigen paddelten sie weiter. Mit den Fußpedalen lenkte Kate das Kajak in die entgegengesetzte Richtung von JDs Haus. Sieh nicht hin! befahl sie sich. Was immer du tust – sieh nicht hin!
Aber sie schaute doch.
Auch wenn sie weiter entfernt waren, konnte sie sehen, dass JD im Garten war und den Rasen mähte. Er hatte sein T-Shirt ausgezogen und in den Bund seiner Jeans gesteckt. Sonnenlicht tanzte über seine sehnigen, braun gebrannten Arme, starken Beine, breiten Schultern. Der Anblick erinnerte sie an das Gefühl, von diesen Armen umschlossen zu werden, an sein Flüstern an ihrem Ohr und daran, wie sein Gesicht den wachsamen Ausdruck verlor, wenn er sie anlächelte. In diesem Moment wusste sie, dass Aaron recht hatte. Sie vermisste JD. Und zwischen ihnen hatte etwas angefangen – etwas Gutes, Echtes. Sie hätte es hegen und pflegen sollen, anstatt ihm zu misstrauen, es zu hinterfragen und dann wegzuwerfen. Aber jetzt war es zu spät. Oder?
„Wie auch immer“, unterbrach Aaron ihre Gedanken. „Es sind nicht mehr nur wir beide. Mit Callie sind wir zu dritt.“
„Zumindest diesen Sommer über.“
„Sie könnte länger bei uns bleiben ...“
„Ja, vielleicht“, nickte Kate. „Zumindest sollte man darüber nachdenken ...“
„Was gibt es denn da nachzudenken? Wir haben Bandit adoptiert, dann können wir doch auch Callie adoptieren.“
Obwohl Kate eigentlich wusste, dass sie von nichts überrascht sein sollte, was Aaron sagte, war sie es dennoch immer wieder. „Ich habe über das Ende des Sommers nachgedacht“, erklärte sie. „Wenn die Jugendfürsorge zustimmt, könnten wir ihre Pflegefamilie werden. Es ist bisher nur eine Idee, aber wir alle drei sollten darüber sprechen. Ob das das Richtige für Callie wäre und wie es funktionieren könnte ...“
„Es würde funktionieren!“, rief Aaron im Brustton der Überzeugung. „Kein Problem.“
Sie musste lachen. „Teenager bedeuten eine ganze Menge Arbeit.“
„So wie Bandit und wie ich.“
Kate runzelte die Stirn. „Was meinst du damit?“
„Komm schon, Mom! Du musst meinetwegen ständig irgendwelche Schultreffen, Sportveranstaltungen oder sonst was besuchen, und deswegen hast du deinen Job verloren. Aber es hat dir nichts ausgemacht, weil ich dir wichtiger bin.“ Er warf ihr über die Schulter einen wissenden Blick zu. „Wie mache ich mich?“
„Ich bin sprachlos!“
„Bist du nicht.“
„Stimmt. Du denkst also, du wärst ein ganz schönes Stück Arbeit?“
„Ich weiß, dass ich das bin.“
Kate war so jung gewesen, als sie mit ihrer Schwangerschaft konfrontiert worden war. Sie erinnerte sich noch gut an die Mischung aus Überraschung, Panik, Freude und Angst, die sie empfunden hatte, als der Schwangerschaftstest ihre Befürchtungen bestätigt hatte. Nathan war von der Bildfläche verschwunden, und für sie hatten sich weder eine Abtreibung noch die Freigabe zur Adoption richtig angefühlt. Also hatte sie Aaron mit offenen Armen empfangen, und sie war jeden Tag dankbar für diese Entscheidung. Dein Junge ist ein Geschenk, hatte JD gesagt. Egal, was danach zwischen ihnen passiert war – sie würde sich immer an diesen Satz von ihm erinnern.
„Du machst mir aber auch eine Menge Freude, das weißt du doch, oder?“, fragte sie ihren Sohn.
„Weiß ich, Mom. Und ich bin mir sicher, dass es mit Callie und uns als Familie funktionieren würde.“
„Meinst du, das sieht sie genauso?“
„Das kannst du sie gleich jetzt fragen.“ Aaron zeigte mit dem Paddel aufs Haus.
Callie kam gerade die Einfahrt herunter, während im Hintergrund der Bus wieder abfuhr. Bandit sprang ihr freudig entgegen und begrüßte sie mit einem lauten Bellen. Sie kauerte sich hin, streichelte ihn und ließ sich das Gesicht abschlecken. Kate beobachtete die beiden, während das Kajak langsam an den Steg glitt, und verspürte eine starke Zuneigung zu dem Mädchen. Callie hatte den ganzen Sommer über zur Familie gehört. Das sollte nicht vorbei sein.
Nach dem Mittagessen fuhr der Kurierdienst vor und brachte ein kleines, flaches Päckchen. „Das Haus hier ist aber gar nicht leicht zu finden“, bemerkte der Fahrer, als Kate den Empfang der Sendung quittierte.
„Deshalb mögen wir es ja auch so gerne“, gab sie lächelnd zurück. Doch als sie den Absender des Päckchens las, verschwand ihr Lächeln. Sie ging ins Haus, wo Callie und Aaron
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