Vertrau deinem Herzen
viel zu viel Zeit damit verbracht, sich Möglichkeiten auszudenken, ihm wie zufällig über den Weg zu laufen. Den Fahrradpumpentrick hatte sie schon benutzt, aber es gab ja noch mehr – das defekte Verandalicht, eine Hecke, die mal geschnitten werden musste, sogar die alte Nummer mit dem Drachen, der im Baum festhing. Der war dort zwar schon seit 1998. Aber das musste sie ihm ja nicht sagen.
Aaron brauchte keine Ausreden, und er wusste auch nicht, wieso er seine Zuneigung zu JD hätte verstecken sollen.
Als Kate mit fest gegürtetem Bademantel nach unten kam, war das Haus leer. In der Küche war der Kaffee durchgelaufen, der Gasherd ausgestellt. Weder JD noch Aaron waren irgendwo zu sehen. Bandit saß unglücklich vor der Tür und schaute verloren durch das Fliegengitter.
Kate goss sich eine Tasse Kaffee ein, öffnete dann die Tür und folgte dem Hund nach draußen. Aaron und JD versuchten gerade, ihre Hände mit Terpentin vom Kettenfett zu befreien.
„Mom“, rief Aaron ihr zu. „Wir machen eine kleine Radtour, okay? Ich darf doch, oder, Mom? Ich habe auch schon gefrühstückt, und meinen Helm hab ich auch.“
„Sicher“, sagte sie. „Geh rauf, und zieh dich an. Lange Hose und Turnschuhe. Ich lass dich nicht barfuß los.“
„Also sind Sie damit einverstanden?“, fragte JD.
„Besser ist das, sonst hätte ich den Rest des Tages ein ziemlich unglückliches Häuflein Elend hier herumsitzen.“ Sie schenkte ihm das erste Lächeln des Tages. „Das bedeutet ihm sehr viel.“
„Wir bleiben auf der Straße in der Nähe des Hauses.“ Gemeinsam schauten sie aufs Wasser. Hier und da tauchten Fische auf und hinterließen gleichförmige Ringe auf der glatten Oberfläche.
„Wenn er Sie nervt, bringen Sie ihn einfach zurück.“
„Er nervt mich nicht. Er ist ein guter Junge. Sie müssen sehr stolz auf ihn sein, Kate.“
Er ist ein guter Junge. Diese Worte bedeuteten ihr mehr, als er wissen konnte. „Das bin ich auch“, erwiderte sie. Dann biss sie sich auf die Lippe. Sie überlegte, ihn wegen Aarons Temperamentsausbrüchen vorzuwarnen, entschied sich dann aber dagegen. Früher oder später würde er es selber herausfinden.
„Und sein Vater ist ...“
„Wie ich schon sagte: kein Teil unseres Lebens.“ Sie war nicht scharf darauf, über Nathan zu sprechen, aber sie wollte, dass JD es verstand. „Er war nie ein Vater und wird nie einer sein. Wir bekommen keine Unterstützung von ihm, und, was noch wichtiger ist, wir wollen auch keine Unterstützung von ihm.“ Das stimmte beinahe. Außer dass Aaron sich verzweifelt nach einem Vater sehnte.
„Sein Pech“, bemerkte JD.
Okay, das war das zweite Mal, dachte Kate mit einem leicht aufgeregten Gefühl im Bauch. Das zweite Mal, dass er heute schon das Richtige gesagt hat, und es ist noch nicht mal zehn. Sie errötete unter seinem prüfenden Blick und suchte nach einem Weg, das Thema zu wechseln. „Was ich Sie schon die ganze Zeit fragen wollte: Wie läuft es mit Callie?“
„Ganz fantastisch.“
„Ja, sie ist sehr gründlich.“
„Hat sie irgendwas gesagt?“
Kate hob fragend die Augenbrauen. Sie fühlte sich in die Highschool zurückversetzt. „Worüber?“
„Nichts Besonderes. Ich wollte nur sichergehen, dass es keine Beschwerden über die Arbeit bei mir gibt.“
Ganz im Gegenteil! Callie hatte strahlende Laune gehabt, als sie von ihm nach Hause gekommen war. „Er ist großartig!“, hatte sie beinahe gesungen. Kate entschied, dass sie ihm das nicht erzählen musste. „Nein, keine Beschwerden“, sagte sie stattdessen.
JD hakte die Daumen in die hinteren Taschen seiner Jeans und schaute wieder hinaus auf den See. Unser Schweigen fühlt sich nicht komisch an, dachte Kate. Obwohl ich hier noch in meinem Bademantel stehe.
„Gehen Sie mit mir Abendessen, Kate.“ Die aus heiterem Himmel kommende Einladung überraschte Kate.
„Ich habe Aaron für heute Abend Hotdogs versprochen“, kam ihre schnelle Antwort wie automatisch.
„Die kann Callie auch machen. Ich möchte Sie gerne zum Essen ausführen. Nur Sie und ich.“
„Warum?“
„Ich könnte sagen, als Dankeschön für das Abendessen letzte Woche.“
„Das könnten Sie.“
„Ich könnte aber auch sagen, dass ich mich von Ihnen angezogen fühle und einfach gern mit Ihnen ausgehen würde.“
Das ist er, dachte Kate. Es gibt immer einen Moment, in dem man weiß, dass man mit einem Mann schlafen wird, und sie wusste, dass dieser Moment jetzt da war. Es war beschämend, wie wenig
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