Vertrau deinem Herzen
Ciaire schwieg einen Moment. „Oh.“
Sie mussten umdenken. Dass Callie plötzlich nicht ein paar Monate älter, sondern einige Jahre jünger war als Luke, machte in diesem Alter einen ganz gewaltigen Unterschied. „Das ist eine lange Geschichte“, sagte Kate. „Ich erzähle dir alles, wenn ich Aaron abholen komme. Ist er noch wach?“
So müde wie sie war, verspürte Kate ein sehnsüchtiges Ziehen. Sie hatte den starken Drang, Aaron zu sehen, ihn festzuhalten, ihm zu versichern, dass sie ihn mit jeder Faser ihres Herzens liebte. Callies Tortur war eine Erinnerung daran, wie wertvoll das Leben war – und wie zerbrechlich.
„Nein, er schläft schon tief und fest. Aber wenn er aufwacht, sage ich ihm, dass du ihn liebst.“
Kate klappte ihr Handy zusammen und drehte sich um. Vor ihr stand JD mit einem Becher Kaffee. „Dich schickt der Himmel“, seufzte sie.
Er zeigte auf eine gepolsterte Bank. „Setz dich! Die Untersuchungen werden noch eine Weile dauern.“
Sie ließ sich neben ihn sinken. An seiner Seite fühlte sie sich so wohl wie niemals zuvor. Die letzte Nacht hatte alles wieder in die richtige Perspektive gerückt. In der Krise waren sie zusammengerückt, und jetzt spürte sie irgendwie, dass alles eine tiefere Bedeutung bekommen hatte. Sie flirteten nicht nur miteinander oder hatten eine kleine Sommerliebelei. Nein, es entwickelte sich eine Beziehung zwischen ihnen. Vielleicht schauten sie sogar in eine gemeinsame Zukunft. „Callie hatte so ein Glück, dass du wusstest, was zu tun ist“, murmelte sie.
„Ich war zur rechten Zeit am rechten Ort“, erwiderte er.
„Und dazu wusstest du, was du tun musstest“, beharrte sie. „Das ist ein Kompliment, okay? Nimm es einfach an.“
JD trank einen Schluck Kaffee. „Mach ich doch.“
Die Müdigkeit steckte Kate bleischwer in den Knochen. Es gab so viel zu bereden, aber jetzt war nicht der rechte Zeitpunkt dafür. Im Moment mussten sie sich darauf konzentrieren, Callie zu helfen, wieder gesund zu werden – oder so gesund, wie es in ihrem Zustand möglich war. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie so viel jünger ist, als sie gesagt hat.“ Sie rieb sich den Nacken, in dem jeder Augenblick dieser schlaflosen Nacht zu sitzen schien. „Ich bin nicht mal auf die Idee gekommen, dass es nicht stimmen könnte.“
JD trat ans Fenster, von dem aus man über die Wasserstraße die entfernten kanadischen Berge sehen konnte, deren Gipfel von der aufgehenden Sonne in ein warmes Orange getaucht wurden. „Bei Teenagern ist es immer schwer, ihr Alter zu erraten. Ich habe Zwölfjährige gesehen, die wie Erwachsene aussahen, und Menschen Mitte zwanzig, die als Schüler durchgegangen wären.“
„Kennst du dich mit Diabetes aus?“
„Mit einigen Symptomen und den Notfallmaßnahmen.“ Er hakte seinen Daumen in die hintere Hosentasche. Er wirkte angespannt.
„Weißt du, was jetzt noch passieren wird?“
„Normalerweise messen sie den Glukosewert und machen einen oralen Glukosetoleranztest. Callie wird außerdem einen Hämoglobintest und eine komplette Untersuchung über sich ergehen lassen müssen – Body Mass Index, Schilddrüsenfunktion und wahrscheinlich noch eine ganze Menge anderes Zeug. Die Ärztin ist sich ziemlich sicher, dass sie eine Insulinresistenz finden werden.“
Kate war beeindruckt. Sie hoffte, dass er sich seinen Traum, Arzt zu werden, erfüllen würde. Sie wusste schon jetzt, dass er sehr gut sein würde. „Und eine Insulinresistenz ist schlecht.“
„Sie ist kein Todesurteil. Das Ziel ist es, ihren Blutzuckerspiegel auf einem vernünftigen Level zu halten. Es gibt Medikamente dafür, aber wenn sie Glück hat, reichen erst einmal eine Ernährungsumstellung und ein regelmäßiges Sportprogramm. Sie hat noch einen langen Weg vor sich, Kate. Für ein Kind ist das sehr schwer. Sie muss lernen, ihren Blutzucker selber zu messen und zu überwachen, ihre Diät einzuhalten und die Medikamente zu nehmen, falls es denn welche gibt. Das ist keine einfache Krankheit, und man braucht sehr viel Disziplin und Selbstkontrolle. Zwei Dinge, die bei Teenagern meist nicht sonderlich gut ausgeprägt sind.“
„Du wusstest also, dass es ihr nicht gut ging?“
„Ich habe es vermutet.“ Er sprach, ohne sie anzusehen.
„Warum?“
„Es gab ein paar Symptome ... Das Übergewicht und die Hautprobleme werden mit dieser Krankheit in Zusammenhang gebracht, aber sie können bei Teenagern auch ganz normal sein.“
„Hast du mit ihr darüber
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