Vertrau deinem Herzen
Bewegung nahm er seine Brille ab, rutschte näher und umfing sie mit beiden Armen. Dann beugte er sich vor und küsste sie. Erst war es nur ein zarter Hauch, ein leichtes Umspielen und Erforschen. Doch dann vertiefte sich die Berührung seiner Lippen zu einem leidenschaftlichen Kuss.
Kates Herz machte einen Satz, ihr Körper stand in Flammen. In den Händen dieses Mannes war sie Wachs. Was auch immer er von ihr verlangte: Sie würde es tun. Nicht einmal die Antwort auf ihre Frage interessierte sie jetzt noch.
Nach einer Ewigkeit, so schien es ihr, zog er sich zurück und ließ den Kuss langsam ausklingen. Beinahe hätte sie vor Sehnsucht aufgestöhnt, aber sie konnte sich gerade noch zurückhalten. Sie setzten sich beide wieder gerade hin.
Er schluckte, aber sonst war ihm kaum eine Regung anzumerken.
Nur ein kleines, kryptisches Lächeln. Dann setzte er seine Brille wieder auf und sah sie ruhig an. Innerlich wollte sie sterben, so sehr bereute sie es, das Thema aufgebracht zu haben. Dann, bevor ihr einfiel, womit sie das Schweigen hätte brechen können, wurde sein Lächeln breiter. „Ja“, sagte er und übertönte mit seiner Stimme das Knacken aus den Lautsprechern. „Ich habe wirklich gemeint, was ich gesagt habe.“
22. KAPITEL
F ür eine romantische Offenbarung, überlegte Kate am nächsten Morgen, als sie wieder zu Hause war, war das alles ein bisschen diffus geblieben. Vielleicht sogar mehrdeutig. Was einer Lüge gefährlich nahekam.
„Komm schon, Kate!“, fluchte sie. „Reiß dich zusammen! Du hast jemanden gefunden, mit dem du den Sommer verbringst. Was willst du denn noch?“
Sie wusste es. Allein der Gedanke daran verzog ihre Lippen zu einem ironischen Lächeln. Es war dumm, das wusste sie, aber sie wollte ein Märchen. Sogar heute, nach all den Enttäuschungen, nach all dem Scheitern, verspürte sie diese Sehnsucht tief in ihrem Inneren immer noch. Sie träumte davon, dass ihr jemand die Sterne vom Himmel holte. Sie träumte von jemandem, der vor ihr auf die Knie sank und ihr einen Antrag machte. Und ein bisschen träumte sie auch von einem kleinen königsblauen Samtkästchen mit einem glitzernden Diamanten darin.
„Konzentrier dich!“, murmelte sie und versuchte, ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihren Laptop zu lenken. Denn darum ging es doch in diesem Sommer. Sich selbst neu zu erfinden, einen neuen Karriereweg einzuschlagen. Einem Traum zu folgen, den sie nie vergessen hatte. Und sie war so nah dran. Das hier war ihre Chance.
Doch sosehr sie es auch versuchte – sie konnte die Unterhaltung mit JD nicht aus ihren Gedanken verbannen. Sie spielte sie sich wieder und wieder vor, analysierte die Wörter, als wenn sie verschlüsselte Verse eines altertümlichen Orakels wären.
Es schadet Aaron gar nicht, zu sehen, dass jemand verrückt nach seiner Mutter ist.
Das hatte er gesagt; seine Worte hatten sich in ihr Gehirn gebrannt. Wie bedeutungsvoll war es, dass er Aaron erwähnte? Hatte es überhaupt etwas zu bedeuten?
„Morgen.“ Callie schlurfte in Bademantel und Flipflops in die Küche.
„Wie geht es dir?“
„Ich schätze, das werden wir gleich wissen.“ Callie bereitete ihr Blutzuckermessgerät für den morgendlichen Test vor. Auch wenn sie gerade erst mit ihrer Behandlung anfing, hatte sie sich bereits einen leichten Zynismus zugelegt. Diese ganze Sache war äußerst lästig. Sie musste jede Mahlzeit planen und in ein Notizbuch eintragen. Sie hatte versprochen, dabei gewissenhaft zu sein, aber Kate spürte, wie frustriert sie war.
„Ich bin es jetzt schon leid, krank zu sein!“ Callie warf einen verächtlichen Blick auf die Bedienungsanleitung des Messgeräts. „Das wird echt schnell langweilig.“
„Brauchst du Hilfe?“
Callie schüttelte den Kopf. „Ich schaff das schon alleine.“
„Ich wette, im deinem Kurs bekommst du jede Menge Tipps. Ich habe in einer Broschüre gelesen, dass du lernen wirst, deinen Blutzucker durch Sport und gesunde Ernährung in den Griff zu kriegen.“
„Ja, großartig! Ich kann es kaum erwarten, damit anzufangen.“
Kate hatte damit gerechnet, dass Callie erst einmal übellaunig sein würde. „Ich muss ein paar Dinge erledigen, während du bei deinem Kurs bist.“
Callie starrte hasserfüllt auf das Messgerät. „Was für Dinge?“
„Zum einen ein paar Nachforschungen in der Bibliothek. Ich habe nämlich folgende Idee“, erklärte Kate. „Ich habe sie meiner Redakteurin noch nicht vorgestellt, aber glaube, dass sie ihr gefallen
Weitere Kostenlose Bücher