Vertrau deinem Herzen
wird. In meinem nächsten Artikel möchte ich deine Geschichte erzählen.“
Eine Sekunde lang erhellten Überraschung und Begeiserung Callies Gesicht, doch dann unterdrückte sie diese Regung schnell und stieß ein scharfes Lachen aus. „Meine Geschichte. Das Märchen der dicken Loserin, die eine unheilbare Krankheit hat. Als ob jemand das lesen will! Ich glaube kaum, dass du damit die Story des Jahres landen wirst.“
„Machst du Witze? Du bist ganz erstaunlich, Callie, und du siehst das vollkommen falsch. Du bist keine Verliererin, du bist eine Überlebende. Und du wirst die Kontrolle übernehmen, und es wird dir besser gehen. Das hast du versprochen“, erinnerte Kate sie.
Callie nickte mürrisch. „Ja, aber das reicht noch lange nicht für einen Artikel.“
„Das lass mal meine Sorge sein.“
Callie behielt den Kopf gesenkt und faltete die Bedienungsanleitung zusammen. „Und du willst wirklich alles erzählen?“
„Ich werde nichts schreiben, was du nicht willst. Und außerdem können wir dir einen falschen Namen geben, welchen auch immer du willst. Und es wird sicher auch Fotos zum Artikel geben“, fügte Kate hinzu. „Darauf habe ich zwar keinen Einfluss, aber eine Zeitschrift dieses Kalibers arbeitet nur mit den Besten. Hättest du etwas dagegen, fotografiert zu werden?“
„Hallo? Von einem Fotografen der Vanity Fair? Macht Platz da, It-Girls!“ Aufregung flackerte in Callies Augen, bevor sie sich wieder daran erinnerte, möglichst ungerührt zu tun. „Ich schätze, das würde mir nichts ausmachen.“
„Ich habe allerdings eine Bedingung“, sagte Kate ernst. „Du musst auf jeden Fall die Wahrheit erzählen. Denn das ist es, was deine Geschichte so fesselnd macht: die Tatsache, dass alles real ist.“
Callie atmete tief ein. „Ich habe jetzt nichts mehr zu verstecken.“
„Ehrlich?“
„Indianerehrenwort.“
„Verrätst du mir, wieso du mit deinem Alter gelogen hast?“, fragte Kate vorsichtig.
„Was glaubst du wohl?“ Callie war den Kopf in den Nacken, und der vertraute harte Zug grub sich wieder in ihre Mundwinkel. „Falls es dir noch nicht aufgefallen ist: Ich bin nicht das ideale Pflegekind. Ich dachte mir, je schneller ich aus dem System rauskomme, desto besser.“
„Besser für wen?“
„Für mich! Mein Gott.“ Callie schaute Kate aus zusammengekniffenen Augen an. „Stört es dich, wenn jemand lügt?“
„Natürlich. Niemand mag es, angelogen zu werden.“
„Nein, ich meine, ob es dich wirklich stört. Also ob du einen Menschen hassen würdest, wenn er dich anlügt.“
„Callie, ich könnte dich niemals hassen.“
Sie stieß ein frustriertes Seufzen aus. „Ich rede nicht nur von mir! Ich will nur wissen, ob eine Lüge für dich unverzeihlich ist.“
„Natürlich nicht! Du hast mir doch erklärt, wieso du gelogen hast.“
„Oh Gott, ich geb’s auf!“
Kate betrachtete sie einen Augenblick. Sie hatte das dumpfe Gefühl, dass ihr Schützling über zwei verschiedene Dinge sprach. „Okay, hör mal zu. Wenn wir dieses Projekt gemeinsam durchziehen wollen, wirst du dich daran gewöhnen müssen, dass ich dir eine Menge Fragen stelle. Vielleicht ist es also doch keine so gute Idee.“
„Ich hab doch gesagt, dass ich es will!“
„Aber sei dir sicher, dass du es wirklich willst. Du schuldest mir nichts, Callie.“
„Ich schulde dir alles, aber deshalb habe ich nicht Ja gesagt. Ich glaube, es wird cool, wenn du über mich schreibst.“
„Ich gebe dir mein Wort, dass ich mein Bestes gebe“, versprach Kate.
„Abgemacht.“ Callie nickte. Dann schaute sie erst auf ihr Blutzuckermessgerät und dann auf die ausgedruckte Tabelle. Kate konnte an ihrem Gesichtsausdruck ablesen, dass das Ergebnis nicht besonders zufriedenstellend war. „Ich muss mich fertigmachen“, murmelte das Mädchen. Dann verschwand sie in ihrem Zimmer.
Ein paar Minuten später kam Aaron in die Küche. „Muss ich heute mit euch in die Stadt?“
„Nein“, sagte Kate. „Ich lass dich einfach den ganzen Tag alleine hier.“
„Cool!“
Sie verdrehte die Augen. „Natürlich kommst du mit! Wir fahren in einer Stunde, also kein Getrödel. Ich will nicht, dass Callie zu ihrer ersten Stunde zu spät kommt.“
„Ich versteh sowieso nicht, wieso sie da überhaupt hinmuss“, beschwerte er sich. „Sie ist doch krank, nicht doof.“
„Der Unterricht wird ihr helfen, auf sich aufzupassen, damit sie nicht krank wird.“ Sie reichte ihm eine Vitamintablette und ein Glas Wasser. „Der
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