Vertrau mir
Ziele, waren bereit, dafür zu kämpfen, wenn nötig mit Gewalt. Fünf Jahre lang führte ich ein Doppelleben. Tagsüber arbeitete ich als Lehrerin in einer Grundschule. In meiner Freizeit engagierte ich mich gemeinsam mit Claudia in der autonomen Tierbewegung. Wir kundschafteten mit Gleichgesinnten Universitäten, Versuchstierhändler und Labors aus, um dann Monate später nachts zuzuschlagen und Versuchstiere aus ihren Käfigen zu befreien. Bis bei einer dieser Aktionen ein Wachmann ums Leben kam. Den Teil der Geschichte kennen Sie. Ich wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Claudia besuchte mich regelmäßig. Sie erzählte, wie stolz alle auf mich waren. Sie verstand nicht, warum ich mich wegen des toten Wachmannes schlecht fühlte. Ich war mit meinen Alpträumen allein. Bis Greta auf meine Zelle kam. Ihre Geschichte war eine ganz andere. Eine, die mir klarmachte, dass die Vergangenheit nicht mehr veränderbar ist. Aber die Zukunft. Wenn sich so etwas wie der Tod des Wachmannes nicht wiederholen sollte, musste ich etwas dafür tun. Ich besprach mit Claudia, dass wir die Gruppe umstrukturieren müssen, erklärte ihr, dass wir uns eine klare Grenze in der Wahl der Mittel setzen mussten, arbeitete eine Art Regelwerk aus, welches ich ihr mitgab, dass sie es in die Gruppe trug. Ich machte den Fehler, ihr zu vertrauen. Ich glaubte ihr, als sie sagte, dass sie mir zuliebe ihre radikalen Ansichten ändern wolle und versuchen würde, auch die Gruppe zu überzeugen. Als ich entlassen wurde, ging ich davon aus, in eine gemäßigte Gruppe zu kommen. Vielleicht mit ein paar Mitgliedern weniger, aber na ja. Wie groß war meine Überraschung als ich feststellen musste, dass Claudia genau in die entgegengesetzte Richtung gearbeitet hatte. Sie hatte mich zur Märtyrerin, zum Idol der Gruppe gemacht. Ironie des Schicksals. Die Rolle des Idols hätte mir früher sicher gefallen. Nun war ich schockiert.
Claudia tat überrascht. Sie sagte, sie ging davon aus, ich hätte ihr diese neuen Regeln nur mitgegeben, um die Gefängnisleitung zu täuschen, für den Fall, dass die Post durchgelesen wurde. Sie sei sich absolut sicher gewesen, dass ich all das Gerede über gemäßigte Aktionen nicht ernst meinte. Sie war angeblich der Meinung, in meinem Sinn gearbeitet zu haben. So stellte sie es nach außen hin dar. Aber wir beide, Claudia und ich, wussten, dass sie mich bewusst hinterging. Sie wollte in jedem Fall verhindern, dass ich zu anderen der Gruppe Kontakt aufnahm. Sie brauchte mich ja als Märtyrerin.
Ich verließ sowohl Claudia als auch die Gruppe. Was nicht so einfach war, wie es klingt. Als Mitglied einer radikalen Gruppe scheidet man nicht einfach aus. Man steht als Verräter da. Und das lässt man dich spüren. Plötzlich spielt es keine Rolle mehr, was du alles geopfert hast. Niemand fragt nach dem Grund für deinen Meinungswechsel. Abgesehen davon, dass ich sowieso schon keinen Job mehr hatte, musste ich meine Wohnung aufgeben, um den fortwährenden Attacken zu entgehen. Ich fand diesen Hof hier und startete mit dem Projekt Tierstation.« Anna schwieg.
Maike ebenfalls. Zum ersten Mal sah Anna die Kommissarin nachdenklich.
»Was will ich damit sagen?« fragte Anna rhetorisch. »Ganz simpel. Obwohl Claudia und ich ein Paar waren, machte es ihr nichts aus, mich zu hintergehen. Später hat sie sogar Schikanen gegen mich veranlasst. Claudia kennt keine Freunde, wenn es um ihre Sache geht. Sie, Maike, als jemand, den Claudia zufällig in einer Kneipe aufgelesen hat, dürfen keine Sekunde glauben, Claudia sieht in Ihnen etwas anderes als ein Werkzeug. Sie benutzt Sie einfach, so lange sie denkt, Sie nutzen ihrer Sache. Findet sie heraus, wer Sie sind, sollten Sie besser mit dem Schlimmsten für sich rechnen. Das will ich damit sagen.«
»Aber Sie haben Claudia doch mal geliebt. Es muss also etwas geben, was sie liebenswert macht.«
Anna fand es etwas komisch, dass Maike sie das fragte, aber nun hatte sie schon so viel von sich preisgegeben, warum nicht auch noch den Rest? »Nun ja. Wie gesagt, damals hatten wir dieselben Ansichten. Aber darüber hinaus ist Claudia eine selbstsichere, hübsche Frau. Sie ist klug. Sie ist sehr leidenschaftlich, während ich immer sehr zurückhaltend war. Menschen, die aus sich herausgehen können, haben mich immer fasziniert.«
»Und Sie merkten nicht, dass sie Sie täuschte?«
»Vielleicht hatte ich manchmal den Verdacht. Ich wusste ja, wie absolut Claudia dachte. Aber ich verdrängte die
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