Vertrau mir
»Es dauert sicher nicht lange, da werde ich diesen Dickkopf wieder verfluchen.« Anna drückte Maike sanft zurück auf ihren Platz. »Nun frühstücke aber endlich.« Maike belegte einen zweiten Toast und biss hinein.
»Ich war übrigens vorhin auf dem Weg nach Schwerte«, sagte Anna, während Maike kaute. Deren Appetit erfuhr eine enorme Steigerung nach der unerwarteten Wendung der Dinge. »Dort gibt es einen Hundehort, den ich mir ansehen will. Hast du Lust mitzukommen? Die Fahrt dauert ungefähr zwei Stunden.«
Müdigkeit hin, Müdigkeit her, jede Möglichkeit, bei Anna zu sein, war Maike willkommen.
»Wie weit bist du denn mit deinem Projekt? Hast du den Kredit bekommen?« fragte Maike Anna, als sie auf der Autobahn waren.
»Ich habe den Antrag noch nicht eingereicht. Diesmal werde ich mich nicht auf mein Glück verlassen, sondern anhand vergleichbarer Objekte belegen, dass meine Kalkulation Hand und Fuß hat. Das ist der Grund für unsere Fahrt nach Schwerte. Ich habe eine Verabredung mit dem Betreiber des dortigen Hundehofes. Er ist bereit, mir einige praktisch Tipps zu geben. Seine Erfahrungen helfen mir sicher, den ein oder anderen Fehler in der Anfangsphase zu vermeiden.«
»Wenn du Hilfe bei den Vorbereitungen brauchst . . .«
»Danke für das Angebot. In den letzten Wochen war ich schon ziemlich aktiv. Der Entwurf für einen Flyer steht bereits, und ich bin dabei, eine Homepage aufzubauen.«
»Ein Tag der offenen Tür. Wie wäre es damit?«
»Gute Idee. Sobald ich die Zusage von der Bank habe.«
In den nächsten Minuten kam Anna regelrecht ins Schwärmen. Sie sprach darüber, wie sie den Hof umzubauen gedachte, welche anderen Tieren sie ebenfalls Herberge bieten konnte. Ihre Augen glühten förmlich vor Begeisterung. Der Besuch des Hundehofes bestärkte Anna noch mehr. Der Besitzer zeigte sich sehr entgegenkommend, gab Anna Anregungen und machte sie auf die ein oder andere Schwierigkeit aufmerksam. Zum Beispiel die Sorge der Tierbesitzer, wie ihre Hunde mit den fremden Artgenossen auskommen. »Aber im Grunde gibt es da keine Probleme«, sagte er. »Ich erkläre es den Leuten so: Die Situation gleicht der, wenn sich Kinder auf dem Spielplatz treffen. Kinder sind in der Regel unvoreingenommen. Sie spielen einfach miteinander. Stimmt die Chemie mal nicht, geht man sich einfach aus dem Weg.«
»Hatten Sie schon mal eine Beißerei unter den Tieren?« fragte Anna.
»Nein. Tiere mit sozial auffälligem Verhalten bringen wir in Gehegen unter. Jeder Tierhalter unterschreibt bei Abgabe seines Tieres einen Vertrag, in dem er sich verpflichtet, eventuelle Verhaltensprobleme und bekannte Krankheiten, Allergien und ähnliches anzugeben. Fragen Sie aber trotzdem lieber immer noch mal nach. Legen Sie eine Kartei an. Notieren Sie eventuelle Auffälligkeiten während des Aufenthalts des Tieres und sprechen Sie anschließend mit dem Besitzer darüber. Seien Sie in keinem Fall leichtsinnig. Unterschätzen Sie nicht die Komplexität der Sache. Was glauben Sie, was für Schwierigkeiten Sie kriegen, wenn ein Tierhalter den Verdacht bekommt, sein Tier hat sich auf Ihrem Hof mit irgend etwas angesteckt, weil Sie Ihre Pflicht versäumt haben. Abgesehen davon, dass er Ihnen einen Anwalt an den Hals schickt, ist Ihr Image gefährdet. Niemand bringt sein Tier in eine Tagesstätte, über welcher der Verdacht schwebt, die Gesundheit der Tiere wird zu nachlässig überwacht. Binden Sie besonders am Anfang bei der Einrichtung des Hofes einen Tierarzt mit ein.«
»Der Hof ist bereits Außenstelle eines Tierheimes. Ich will ihn nur erweitern«, sagte Anna.
»Ja, richtig. Das sagten Sie ja am Telefon. Aber der Umgang mit privaten Kunden ist nicht mit der Zusammenarbeit mit einem Tierheim zu vergleichen. Glauben Sie mir: Von dem Tag an, da Sie sich auf dem freien Markt als Anbieter in der Servicebranche selbständig machen, geben Sie einen beträchtlichen Teil Ihres Privatlebens auf. Der Kunde erwartet praktisch, dass Sie immer für ihn da sind.«
»Das muss ich in Kauf nehmen. Wichtig ist, dass das Konzept aufgeht.«
»Dem sollte normal nichts im Wege stehen.«
»Die Fahrt war ein voller Erfolg«, freute sich Anna auf dem Rückweg. »All die Hinweise sind sehr nützlich. Dass ich so ein Vertragsmuster mitnehmen durfte, spart mir eine Menge Zeit und Kopfzerbrechen.«
Maike legte ihre Hand auf Annas Oberschenkel, streichelte sie sanft. »Besser als du, kann man sich auf so ein Projekt nicht vorbereiten. Das wird auch deine
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