Vertraute der Sehnsucht (German Edition)
den Jungen immer gern gehabt, aber beim Anblick dieses Gesetzlosen vor ihm widerstand Lucan nur knapp dem Drang, seinen zahlreichen Prellungen und Quetschungen noch weitere hinzuzufügen.
Und mit seiner Entrüstung über Kellans Vergehen war er nicht allein. Die Wut von Lucans Brüdern stand förmlich mit Händen greifbar im Raum, umwehte die versammelten Vampire wie ein schwarzer Wind.
»Hier lang«, sagte Lucan, bevor noch jemand in Versuchung kam seinen Instinkten nachzugeben. Mit seinem strengen Blick befahl er Kellan ihm in sein Arbeitszimmer zu folgen, und dem Rest des Ordens zurückzubleiben.
Kellan ging in den Raum und blieb dort stehen, während Lucan die Tür hinter ihnen schloss und dann zu ihm hinüberstapfte, um dem abtrünnigen Krieger unter vier Augen gegenüberzutreten. Lucan konnte immer noch den mutigen, direkten Soldaten in Kellans ruhigen grün-braunen Augen, in der aufrechten Haltung seines Rückens und seiner Schultern sehen, als er grimmig vor Lucan strammstand, bereit, sich seinem Zorn zu stellen.
Bereit der Wahrheit ins Gesicht zu sehen, dass der Weg, den er für sich gewählt hatte, in einer tödlichen Sackgasse enden würde.
»Du bringst uns hier einen Super- GAU an Problemen ins Haus«, bemerkte Lucan, sparte sich unnötiges Vorgeplänkel und kam direkt zum Kern dieses unerwarteten Wiedersehens. »Nathan hat mich gebrieft über alles, was in den letzten Tagen passiert ist. Bowman ist ein verdammt viel beschäftigter Kerl. Entführung, Behinderung der Justiz, Verschwörung, Unterstützung einer Rebellion und generelle Missachtung der Gesetze. Nicht zu vergessen Verrat und Wucher. Anscheinend deine Stärken, angesichts der Verfassung, in die du Mira gebracht hast. Wenn du für deine Taten zu leiden verdienst, dann vor allem dafür, was du diesem Mädchen angetan hast, zumindest was mich betrifft, verdammt. Und um alldem noch die Krone aufzusetzen, hast du sie auch noch an dich gebunden.«
Kellans stoische Fassade bekam Risse, sobald Miras Name fiel. Seine tiefe Stimme war von einem Schmerz erfüllt, den Lucan nicht leugnen konnte. »Ich hätte ihr mein Blut nicht gegeben, wenn ich nicht gedacht hätte, dass die Verbindung ihre Augen heilt.« Mit finster gerunzelter Stirn schüttelte er den Kopf. »Aber es hat nicht funktioniert. Ich muss es noch mal versuchen, Lucan. Ich muss ihr noch mehr geben. Sehen, ob es dadurch etwas besser wird.«
Lucan stieß ein verächtliches Knurren aus. »Du hast schon genug angerichtet, oder nicht?«
»Dann können vielleicht Rafe oder Tess –«
»Mira ist jetzt in besten Händen«, sagte Lucan, bewusst kurz angebunden. Er hatte keinerlei Mitgefühl für Kellans offensichtliche Sorge um die Gefährtin, die er sich genommen hatte, ohne das Recht dazu zu haben. »Der Orden wird dafür sorgen, dass Mira alle Hilfe bekommt, die sie braucht. Sie ist jetzt zu Hause. Du hast deine eigenen Probleme.«
Kellan hielt seinem Blick stand. »Solange Mira nur in Sicherheit ist, sind meine Probleme nebensächlich.«
»Willst du sterben, Junge?«
Kellan antwortete prompt. »Nein.« Dann wieder, heftiger: »Hölle, nein. Ich will leben – mit Mira an meiner Seite. Mir war nicht klar, wie sehr ich das will, bis ich sie wieder in meinen Armen hielt.« Er stieß einen deftigen Fluch aus. »Aber was ich will, ist nicht von Belang.«
»Wegen der Vision«, sagte Lucan. »Nathan hat mir auch davon erzählt. Du und ich wissen beide, dass Miras Gabe mächtig ist, unfehlbar. Aber drohende Prophezeiung hin oder her: Dass du dich mit Rebellen verbündet hast – sogar ihr Anführer gewesen bist, verdammt noch mal –, hat mir hier absolut die Hände gebunden. Für Ackmeyers Tod werden Rebellen verantwortlich gemacht, Rebellen unter dem Kommando eines Gesetzlosen namens Bowman. Das hat der Öffentlichkeit einen Grund für Proteste geliefert, und die Proteste sind laut. Die Leute wollen Blut sehen – und zwar deines. Und was, wenn sich herumspricht, dass du nicht nur ein Stammesvampir bist, sondern auch noch ein ehemaliger Ordenskrieger? Die Menschen werden erst Ruhe geben, wenn sie deinen Kopf haben, Junge. Mir bleibt keine Wahl, als ihn ihnen zu geben, oder ich gefährde alle Fortschritte, die wir beim Frieden mit der Menschheit gemacht haben.«
Kellans ruhiger Blick sagte, dass er Lucans undankbare Position verstand. »Wenn es so weit kommt, werde ich jede Strafe auf mich nehmen, die mir auferlegt wird.«
Lucan fuhr sich mit der Hand durch sein dunkles Haar. »Scheiße,
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