Vertraute der Sehnsucht (German Edition)
geheilt war, aber jetzt spürte er eine Woge der Erleichterung und Euphorie darüber, mit eigenen Augen zu sehen, dass es Tess oder Rafe gelungen war, für Mira zu tun, was ihm mit seinem Blut nicht gelungen war.
Am liebsten wäre er zu ihr gerannt und hätte sie in seine Arme gerissen. Er hätte es auch getan, aber er wusste, dass er mit einem plötzlichen Ausbruch nur seine JUSTIS -Eskorte veranlassen würde, das Feuer auf ihn und womöglich auch auf Mira zu eröffnen.
Die Wächter führten ihn nach vorn, die beiden Stammesvampire flankierten ihn, die beiden Menschen bildeten die Nachhut. Die grimmigen Gesichter der Ordenskrieger und ihrer Stammesgefährtinnen entgingen Kellan genauso wenig wie die finsteren, missbilligenden Blicke der meisten Männer und Frauen auf dem Podium. Er war hier, um verurteilt zu werden, und seine Schuld dürfte bereits beschlossene Sache sein, dem schweren Schweigen nach, das sich wie ein Leichentuch über den Gerichtssaal senkte.
Und da war Mira, stand ganz allein vor dem Rat.
Selbst ohne das Vorwissen ihrer Vision verstand Kellan, warum Mira im Gerichtssaal war. Sie war gekommen, um zu seiner Verteidigung auszusagen.
Seine wunderschöne, störrische Mira.
Seine standhafte Gefährtin, die zu ihm hielt, obwohl er ihr mit seiner Kapitulation das Herz gebrochen hatte.
Stolz und Demut vermischten sich in ihm. Er hatte sie aus alldem heraushalten wollen. Und doch wusste er, dass keine Macht der Welt sie hätte aufhalten können.
Als sie ihn jetzt ansah, stand ihr der Kummer ins Gesicht geschrieben, und sie drehte sich heftig zu Lucan und den Ratsmitgliedern um. »Nein, warten Sie! Bitte hören Sie mich an. Kellan ist kein Killer. Er hat versucht, Leben zu retten – die Entfesselung einer gefährlichen Technologie zu verhindern. Nur aus diesem Grund hat er Jeremy Ackmeyer entführt. Ich versuche nicht, zu entschuldigen, was er getan hat, ich bitte Sie nur, seine Gründe mit zu berücksichtigen.«
Am anderen Ende des Podiums räusperte sich ein älterer Normalsterblicher mit eingesunkenen Augen und blasser, ungesunder Gesichtsfarbe. »Der Rat hat Ihr Plädoyer gehört. Er wird bei seiner Entscheidung alle wichtigen Faktoren angemessen berücksichtigen.«
»Direktor Benson«, flehte sie und wandte sich direkt an den alten Mann. »Ich möchte Ihnen und Ihrer Familie mein ehrliches Beileid aussprechen. Es ist mir klar, wie schwer dieses Verfahren auch für Sie persönlich sein muss. Jeremy war Ihr Neffe, er war ein guter Mann, und er war unschuldig. Sie müssen wissen, dass Kellan versucht hat, ihn zu retten. Nachdem er die Wahrheit erkannt hatte, hat Kellan getan, was er konnte, um Jeremy zu finden. Er versuchte, seinen Fehler wiedergutzumachen, aber es war zu spät –«
»Das genügt!« Der Ausbruch des alten Mannes schoss durch die Versammlung wie Gewehrfeuer. Seine Augen mit den schweren Lidern waren träge, als er einen Blick in den Raum warf, den grauen Kopf zwischen den hängenden Schultern. »Ich habe … genug gehört. Bitte, bringen wir die Sache zum Abschluss.«
Auf einen Wink von Lucan kam Nikolai aus dem Publikum, um Mira zu holen. Zuerst sträubte sie sich, dann ließ sie sich mit einem angsterfüllten Blick in Kellans Richtung von Niko zu ihrem Platz zurückführen.
Kellan spürte ihre Unruhe in seinen eigenen Adern widerhallen, als die bewaffneten Wächter ihn vor das Podium führten. Sie brachten ihn vor dem Rat zum Stehen, und Lucan richtete seine ernsten Augen auf ihn.
»Kellan Archer«, verkündete er den Versammelten. »Aufgrund der speziellen Umstände deines Falles als ehemaliges Ordensmitglied hat der Rat einem internen Verfahren zugestimmt. Das Urteil wird per Mehrheitsbeschluss gefällt. Der Rat hat die Anklagepunkte zusammengestellt und ein Plädoyer zu deiner Verteidigung angehört. Es sind schwere Verbrechen, die schwere Bestrafung erfordern. In jedem einzelnen Anklagepunkt steht auf ›schuldig‹ die Todesstrafe.«
»Ich verstehe«, antwortete Kellan und nahm die düsteren Gesichter der Männer und Frauen in sich auf, die über sein Schicksal entscheiden würden. In keinem von ihnen sah er Erbarmen.
Aber er hatte auch keines erwartet.
Er hörte zu, wie nacheinander die einzelnen Anklagepunkte gegen ihn verlesen wurden, dann antwortete er auf jeden. Er registrierte die Worte kaum. All seine Gedanken und Sinne waren auf die einzige Person im Raum konzentriert, die ihm etwas bedeutete.
Mira starrte von ihrem Platz neben Niko und Renata zu ihm
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