Vertraute der Sehnsucht (German Edition)
herüber, ihre Augen voller Tränen, die Finger an die Lippen gepresst. Es brachte ihn um, dass sie diese Angst, dieses Grauen spüren musste. Dieses verdammte Gefühl der Hilflosigkeit, während sie darauf warteten, dass der Rat mit der Urteilsverkündung begann.
Und dann war dieser Augenblick gekommen, und Kellan stählte sich für das Ende seines Weges, das er die letzten acht Jahre seines Lebens zu vermeiden versucht hatte.
Lucan wandte sich an den Rat und gab die Anweisung, nacheinander ihre Stimmen abzugeben, entweder für lebenslange Haft oder die Todesstrafe. »Als Vorsitzender würde ich gewöhnlich als Letzter meine Stimme abgeben«, sagte er. »Als Bedingung für diese interne Verhandlung jedoch – weil es sich um einen ehemaligen Krieger unter meinem Befehl als Anführer des Ordens handelt – hat der Rat mir Stimmenthaltung verordnet. Ich werde keine Stimme abgeben, und das Urteil des Rates wird endgültig sein.«
Kellan nahm das mit einem Nicken zur Kenntnis, dann stand er stramm, als die Abstimmung begann. Der Rat brauchte wenig Bedenkzeit. Jedes Mitglied verkündete seine Entscheidung, und das Ergebnis war zwischen menschlichen Ratsmitgliedern und Vampiren überraschend gespalten.
Sieben Ratsmitglieder beider Spezies sprachen sich für lebenslänglich aus.
Acht weitere für die Todesstrafe.
Eine Stimme fehlte noch.
Das Verfahren würde entweder mit einem Unentschieden oder einer klaren Entscheidung für Kellans Exekution enden.
Jetzt hing alles von dem Ratsmitglied ab, das am Ende des Podiums zusammengesackt war, Jeremy Ackmeyers Onkel. Kellan spähte zu Benson hinüber, und er spürte noch etwas anderes als Kummer oder Rache im trüben Blick des alten Mannes. Er hatte getrunken, vermutete Kellan, als er jetzt die hängenden Schultern und glasigen, geröteten Augen registrierte.
»Direktor Benson«, drängte Lucan und sah zu ihm hinüber. »Sind Sie bereit, Ihre Entscheidung zu verkünden?«
Der alte Mann grunzte, hob den Kopf und starrte in Kellans Richtung. Als er redete, war das Wort schonungslos endgültig. »Tod.«
Kellan hörte, wie Mira scharf Luft holte. Durch seine Blutsverbindung spürte er, wie ihr Erschrecken und ihre Sorge auch durch seinen Körper schossen und wie ein elektrischer Schock seinen Puls beschleunigten.
»Nein.« Ihre Stimme im Publikum hinter ihm klang gebrochen, erstickt von Tränen. »Nein! Er hat Ihren Neffen nicht getötet, Direktor Benson. Er hatte nichts mit dem Brand in Jeremys Labor oder seinem Tod zu tun. Sie müssen mir glauben! Tun Sie jetzt das Richtige, Sie müssen ihn begna–«
»Mira, nicht.« Kellan drehte sich hastig zu ihr um, als sie aus ihrem Sitz aufsprang und zu seiner Verteidigung nach vorne eilen wollte. Die vier Vampirwächter neben ihm spannten sich an. Er spürte ihre Alarmbereitschaft, wusste, dass sie gleich ihre Waffen ziehen würden.
»Nein!«, schrie Mira. »Lucan, lass das nicht zu, bitte!«
Kellan sah Lucans grimmigen Blick. Er verstand, dass der Anführer des Ordens schon alles für ihn getan hatte, was er konnte. Jetzt gab es nichts mehr, was gesagt oder getan werden konnte, um Kellan zu retten.
»Nein«, schluchzte Mira und ließ das Gesicht in die Hände sinken.
Ihr Kummer schnürte ihm das Herz zusammen. Er hasste es, dass er ihr das alles zumuten musste, genau wie er es all die Jahre seiner Abwesenheit befürchtet hatte. Er hatte so gehofft, genau diesen Augenblick vermeiden zu können.
Am anderen Ende des Raumes schüttelte Benson den Kopf und murmelte leise vor sich hin. »Das alles ist schon zu weit gegangen«, sagte er mit schwerer Zunge, sein Kopf tief gesenkt, sein Gesicht schlaff. »Viel zu weit. Das sehe ich endlich ein, jetzt, wo es zu spät ist, um den Lauf der Dinge noch zu ändern.«
Mit erwachender Neugier hörte Kellan Bensons düsterem, kryptischem Gemurmel zu. Da war Reue in der Stimme des alten Mannes, so viel war unverkennbar. Und da war noch etwas anderes, etwas, das Kellan das Blut in den Schläfen dröhnen ließ.
»Zu spät für Jeremy«, murmelte Benson, völlig in seinen persönlichen Kummer versunken. »Ein so brillanter Mensch, so jung gestorben. Er war eine reine Seele, der Junge, absolut unbestechlich. Ein echter Lichtbringer, der die Welt hätte verändern können.«
Lichtbringer.
Ein ungewöhnlicher Ausdruck. Genau denselben hatte Ackmeyer verwendet, um sein noch geheimes UV -Technologieprojekt zu beschreiben.
Verdammt.
Benson war es gewesen, der den Prototyp gestohlen hatte. Die
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