Vertraute der Sehnsucht (German Edition)
sofort hätte freilassen sollen, nachdem er vor einigen Stunden von seiner Unschuld erfahren hatte. Nichts von alldem wäre passiert, wenn Kellan als Anführer einen kühlen Kopf bewahrt und gehandelt hätte, wie es diese Leute von ihm erwarteten. Sie hatten ihm ihr Leben anvertraut, darauf vertraut, dass er sie beschützte.
Stattdessen hatte er sich ein romantisches Techtelmechtel mit Mira gegönnt, das nur in einer Katastrophe enden konnte. Das hieß, er hatte heute auch sie im Stich gelassen, und es war zu spät, um seinen Fehler wieder ungeschehen zu machen.
»Gottverdammt«, knurrte er, und vor lauter Wut auf sich selbst klang seine Stimme rau und brutal, selbst für seine eigenen Ohren.
Am liebsten wäre er aus dem Bunker gerast, um Vince zur Strecke zu bringen – Tageslicht hin oder her. Er wollte den Bastard leiden, ihn bluten lassen.
Aber es war Kellans Team, das jetzt litt und blutete – einer seiner Leute lag tot zu seinen Füßen; die andere war vermutlich kurz davor.
Der Anblick der schwer verletzten Candice holte Kellan mit einem Ruck zurück zu seinen Pflichten als Befehlshaber dieses Rebellenstützpunktes und dessen Bewohner. Er ignorierte den kupfrigen Blutgeruch von Candices Wunde, der ihm zusetzte wie ein Schlag in den Magen, ging zu ihr hinüber und kauerte sich neben sie.
Sie atmete heftig durch ihre schlaffen, blassen Lippen. Ihre Augen waren geweitet und fixierten starr die Decke, als Doc ihr Bein am Knie anwinkelte, es hochlagerte und dann seinen Gürtel als Druckverband um ihren Oberschenkel schloss.
Kellan griff nach ihren Jeans auf dem Boden und rollte sie zu einem provisorischen Kissen zusammen. Als er ihren Kopf anhob und ihn dann auf die weichere Stoffunterlage zurücksinken ließ, glitten ihre glasigen Augen zu ihm hinüber. »Vince … ich wollte ihn aufhalten, aber er –«
»Ich weiß. Mach dir wegen ihm keine Gedanken. Du musst jetzt nur durchhalten, hörst du?« Sie nickte schwach, und ihr fielen die Augen zu. Kellan biss die Zähne zusammen, als er mit den Fingern über ihre klamme Stirn strich. »Wie sieht’s aus, Doc?«
»Wäre verdammt gut, wenn ich die Blutung stillen könnte«, antwortete Doc grimmig und zurrte mit roten, glitschigen Händen den Gürtel um Candices Oberschenkel fest.
Kellan sah sich über die Schulter nach Nina um, die nervös im Türrahmen wartete. »Saubere Handtücher und Waschlappen, so viel du finden kannst.«
»Wird gemacht.« Sofort war sie verschwunden.
Candice begann mit den Zähnen zu klappern. Ihre glasigen Augen rollten immer wieder zurück, bis man das Weiße sah, und glitten dann wieder zu ihm hinüber. »H-hab Angst, Bowman. Will nicht sterben.«
»Du schaffst das«, beruhigte er sie. »Doc hat schon Schlimmeres wieder hingekriegt. Weißt du noch, in welcher Verfassung ich war, als du mich das erste Mal zu ihm geschleppt hast?«
»Ja.« Ihre Stimme war schwach und leise. »Weiß ich noch gut.«
Kellan nickte und strich eine feuchte Haarsträhne fort, die an ihrer Wange klebte. Ihre Haut war beunruhigend kalt. »Doc hat mich damals nicht sterben lassen und du auch nicht. Und er und ich werden dich jetzt auch nicht sterben lassen. Also halt durch, Brady, das ist ein Befehl, verdammt noch mal.«
»Okay«, sagte sie und lächelte ihm leicht zu, während ihre Augen sich langsam wieder schlossen. Ihr ganzer Körper wurde von einem langen Krampf erfasst, sie zitterte heftig, und trotz der feuchtwarmen Sommerluft im Bunker wurden ihre Lippen blau. »Eiskalt hier«, murmelte sie. »Mir ist so kalt.«
Bevor Kellan reagieren oder etwas suchen gehen konnte, mit dem er sie etwas wärmen konnte, erschien irgendwo hinter ihm eine Decke.
Mira.
Er sah auf. Sie stand hinter ihm mit einer Decke, die sie aus seinem Bett geholt hatte. Sie ging um ihn herum, legte sie auf Candices Oberkörper und steckte den Stoff sanft unter ihrem Kinn und ihren Schultern fest, damit so wenig Wärme wie möglich entwich.
Als sie fertig war, trat sie zurück und legte die Hand sanft auf Kellans Schulter. Er griff nach ihr und drückte ihr dankbar die Finger. Seine Schuldgefühle und Selbstvorwürfe brannten immer noch wie Säure in seinem Magen, aber der Anblick von Mira, die bei ihm stand, das Gefühl ihrer Hand, die ihn voller Unterstützung und Verständnis berührte, war eine Wohltat, die er nicht leugnen konnte. Er sah, wie Doc den unausgesprochenen Austausch registrierte, sah die Frage in den Augen des Rebellen, als Kellans Hand auf Miras verweilte,
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