Vertraute der Sehnsucht (German Edition)
diesen Mangel an Respekt. »Wie hätten Sie’s gern? Lassen Sie mich noch eine Sekunde länger warten, und mein Preis verdopp- «
Mitten im Satz wurde Vince von Motorengeräusch und quietschenden Reifen übertönt. Nicht das heisere Summen einer weiteren schicken Limousine, sondern das rostige Scheppern und Rumpeln eines Wagens, den er gut kannte. Desselben Wagens, den er an einem vermeintlich sicheren Ort in einem anderen Teil des Parks abgestellt hatte.
Der Lieferwagen, in dem Jeremy Ackmeyer war, Vinces zukünftiges Vermögen.
Ein anderer Gorilla im dunklen Anzug saß am Steuer. Der Typ, der vor Vince im Gras stand, nickte dem Fahrer kurz zu.
»Was zum Henker soll das?«, schrie Vince. »Was läuft hier?«
Wie zur Hölle hatte das nur so schnell schieflaufen können?
Er hatte keine Zeit um Vermutungen anzustellen. Als er sich wütend zu dem Anzugträger neben ihm umsah, blickte er direkt in die Mündung einer schwarzen Neunmillimeter.
Jetzt endlich begann der Typ doch etwas Interesse zu zeigen. Er lächelte ihm dünn zu. »In den Wagen, Arschloch.«
Er stieß Vince an, damit der sich in Bewegung setzte, und die Waffe sorgte dafür, dass er auch in Bewegung blieb.
Als er auf die wartende Limousine zustolperte, hatte er das flaue Gefühl, dass es seine erste und letzte Fahrt in so einem Luxusschlitten sein würde und dass man ihn reingelegt hatte.
Im Duschraum des Bunkers ließ Mira einen Arm voller nasser, blutgetränkter Handtücher in ein Waschbecken mit kaltem Seifenwasser fallen und sah zu, wie der Schaum sich rot färbte.
Sie hätte gehen sollen, als sie die Chance dazu hatte.
Sie hätte einfach davonlaufen sollen, nach dem, was Kellan zu ihr gesagt hatte. Zurück zum Orden, zu ihren Teamkameraden in Montreal. Nach Hause, zu Niko und Renata.
Überallhin, nur nicht hierbleiben.
Kellan wäre das sicher lieber gewesen. Und wenn es stimmte, was er gesagt hatte – dass das Schicksal ihn ihr wieder entreißen würde und dieses Mal für immer –, dann war sie gut beraten, alles zu tun, um sich diese Art von Schmerz zu ersparen. Sie hatte es schon das erste Mal kaum überlebt ihn zu verlieren. Wie sollte sie diesen Schmerz noch einmal ertragen?
Aber sie hatte es einfach nicht geschafft Kellans Rebellenbasis zu verlassen.
Sie konnte ihn nicht verlassen, nicht, wenn sie doch spürte, dass sie ihm immer noch etwas bedeutete, ihm immer noch wichtig war. Ein hoffnungsvoller Teil von ihr wollte glauben, dass er sie immer noch liebte, auch wenn er sich weigerte, es einzugestehen, sich selbst oder ihr gegenüber.
Also war Mira nicht geflohen.
Sie war dageblieben und hatte es auf sich genommen, das Blut von Vinces Angriff aufzuwischen, während Kellan, Doc und Nina irgendwo im Bunker waren und sich vermutlich um ihre Rebellengeschäfte und Chaz’ Leiche kümmerten, wenn Candices Zustand sich wieder etwas stabilisiert hatte.
Mira tauchte die Hände in das blutige Wasser, begann die Handtücher auszuwaschen. Sie versuchte sich innerlich von der Aufgabe zu distanzieren – dem Wissen, dass das Blut, das ihre Hände und Kleider färbte und scharlachrot den Ausguss hinuntergurgelte, dafür stand, dass heute ein Mensch gestorben und ein anderer nur knapp mit dem Leben davongekommen war. Sie versuchte sich zu sagen, dass dieser Ort, diese Leute, die hier gelebt hatten und heute hier gestorben waren, nicht ihr Problem waren.
Aber sie machte sich trotzdem Sorgen.
Um Candice, um Doc und Nina, die heute alle einen alten Freund verloren und einen neuen Feind dazugewonnen hatten. Sie sorgte sich auch um Jeremy Ackmeyer, denn so sehr sie um sein Leben gefürchtet hatte, als er sich in Kellans Gewahrsam befand, war das nichts im Vergleich zu dem Gedanken, dass Vince ihn jetzt hatte und offensichtlich bereit war, jeden zu töten, der sich ihm in den Weg stellte.
Und natürlich machte sie sich Sorgen um Kellan.
War zutiefst erschrocken über die Vision, die er in ihren Augen gesehen hatte, an diesem schrecklichen Morgen, den sie irrtümlich für so perfekt gehalten hatte.
Mira ließ den Kopf hängen und füllte das Becken für die nächste Ladung Wäsche.
Nicht zum ersten Mal wünschte sie sich ohne ihre Gabe geboren zu sein. Ihre verdammte übernatürliche Fähigkeit, die fast jedem Angst und Qualen bereitete, der das Unglück hatte, einen Blick in ihre ungeschützten Augen zu werfen. Sie wusste nicht, ob ihre Augen ihr auch ihre eigene Zukunft zeigen würden. Sie hatte nie den Mut gehabt, es
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