Vertraute Gefahr
Tür.
Schließlich hielt er es nicht mehr aus und sprang auf. »Warte!«
Janet drehte sich mit einem Grinsen wieder zu ihm um. »Ja?«
Shane holte tief Luft. »Wie geht es ihr? Kann sie nächste Woche schon arbeiten?«
Janets Lächeln wurde sanfter. »Es ist wohl eine üble Prellung und sie muss einige Tage an Krücken laufen, aber ihrem Dienstbeginn steht nichts im Wege, solange sie ihr Bein nicht zu sehr belastet oder die Schmerzen schlimmer werden.«
Erleichtert atmete Shane auf. »Das ist gut. Ich hatte schon Angst, es wäre eine schwerere Verletzung.«
»Es war gut, dass du sie gefunden hast und sie nicht die ganze Nacht dort draußen verbringen musste.« Janet sah auf die Uhr. »So, und jetzt muss ich weiter, Sarah wird mir die Freundschaft kündigen, wenn ich nicht endlich aufräume.«
Shane lachte. »Was bin ich froh, dass ich alleine wohne.«
Janet grinste ihn an. »Wer weiß, wie lange noch.« Bevor er antworten konnte, hatte sie die Tür hinter sich zugezogen.
Kopfschüttelnd ließ Shane sich wieder in den Stuhl zurücksinken. Janet bauschte die ganze Sache zu sehr auf. Nur weil er Autumn interessant fand, hieß das noch lange nicht, dass er in absehbarer Zeit sein Junggesellenleben aufgeben würde.
4
Froh, in die klimatisierten Räume zu kommen, ließ Autumn zwei Tage später die Tür des Visitor Center hinter sich zufallen. Sie stützte sich schwer auf ihre Krücken und versuchte, etwas zu verschnaufen. Die Fahrt mit dem Shuttle-Bus war eine Tortur gewesen. Bei jedem Spalt im Asphalt hatte der Sitz vibriert und damit ihr Knie in Schwingungen versetzt, die den Schmerz wiederkehren ließen. Eigentlich hatte sie gedacht, dass die Verletzung schon fast verheilt war, aber nun war sie eines Besseren belehrt worden. Sie seufzte und pustete sich eine widerspenstige Haarsträhne aus den Augen.
Neugierig blickte Autumn sich in dem kleinen, aber gut gefüllten Raum um. Die Bücher fielen ihr als Erstes ins Auge. Auf verschiedenen Regalen und Ständern standen Bücher über den Park, die Fauna und Flora, aber auch Wanderwege und Aktivitäten waren beschrieben. Es gab Kalender und Unmengen an Postkarten. An den Wänden hingen Landkarten und Poster, eines mit einer grandiosen Ansicht des Delicate Arch gefiel ihr besonders. Der hohe Preis bestärkte sie jedoch in ihrem Vorhaben, viele eigene Fotos zu schießen – selbst wenn ihr diese nie so perfekt gelingen würden. Auch wenn sie meist halbwegs vernünftige Aufnahmen hinbekam, fehlte dabei doch unzweifelhaft das gewisse Etwas, das professionelle Fotos auszeichnete. Bedauernd drehte sie sich wieder zu den Bücherregalen um und seufzte erneut. Bevor sie in den Westen gekommen war, hatte sie die meisten ihrer heiß geliebten Bücher einlagern müssen und vermisste sie schrecklich.
Die Bildbände interessierten sie im Moment am meisten. Sie lehnte ihre Krücken an die Wand und nahm sich ein Buch aus dem Regal. Die roten Steinbögen wirkten gleichzeitig unzerstörbar und zerbrechlich, sodass sie sich unwillkürlich fragte, wann sie wohl in sich zusammenstürzen würden. Es konnte morgen passieren oder erst in Hunderten von Jahren. Diese Ungewissheit faszinierte sie besonders, weil sie sich selbst oft genauso fühlte: Im einen Moment völlig gefestigt und im nächsten absolut haltlos und ohne Schutz, verletzbar. Stirnrunzelnd klappte sie das Buch zu. Sie wollte nicht daran denken. Nein, sie durfte nicht an ihre Verletzlichkeit denken.
Vielleicht sollte sie lieber nach Janet Ausschau halten, um von ihr mehr über den Park und das Personal zu erfahren. Sie drehte sich um und humpelte zum Tresen hinüber. Dahinter saß eine hübsche junge Frau in der typischen beigefarbenen Rangeruniform, die in einem Modemagazin blätterte und versuchte, die lärmenden Besucher zu ignorieren.
Autumn räusperte sich. Als das nicht wirkte, sprach sie die Frau an. »Entschuldigen Sie bitte, ich suche Janet King. Können Sie mir sagen, wo ich sie finde?«
Die Frau blickte ungeduldig auf, warf ihre langen blonden Haare mit einer heftigen Kopfbewegung zurück und betrachtete Autumn. Sie verzog keine Miene. »Sie ist nicht da. Was wollen Sie denn von ihr?«
Autumn blickte sie erstaunt an. Verstand sie unter dieser Art von Reaktion etwa Service? Trotzdem versuchte sie, freundlich zu bleiben. »Hören Sie, Miss …«, sie blickte auf das Namensschild, das an dem gut ausgefüllten Stoff des Uniformhemdes befestigt war, »… Beaumont. Ich bin hier mit Janet King verabredet und
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