Vertraute Schatten
können. Warum hätte man ihn engagieren sollen, wenn die Arbeit nicht schwierig und schmutzig werden würde?
»Ich verstehe nicht, warum jemand wegen eines einzelnen Grigori solchen Aufwand betreibt. Wir halten uns aus der Politik der Dynastien heraus, abgesehen von unserem Sitz im Rat«, murmelte Ariane mehr für sich selbst. Trotzdem sah er sich zu einer Antwort genötigt.
»Meiner Erfahrung nach brauchen Blaublute nicht viel, um sich gegenseitig das Leben schwerzumachen. Das ist wie ein Sport. Vielleicht hat jemand deinen Freund irgendwo hinter Schloss und Riegel gesetzt, um ihm irgendwelche Geheimnisse zu entreißen. Vielleicht hat ihn irgendein Blödmann nur zum Spaß umgebracht und tarnt das Ganze als Entführung, damit er nicht in eure verfluchte Wüstenhölle verschleppt wird. Oder, und das halte ich für das Wahrscheinlichste, dein Sam hat sich entschlossen, die Ketten als weißhaariger Kauz abzuwerfen, und will einfach nicht gefunden werden. Ich habe schon viele Vampire töten sehen, nur weil sie untertauchen wollten. Höchste Zeit, dass es mal einer von deiner Dynastie versucht.«
Ariane schüttelte den Kopf. »Nein, er ist einer von unseren Ältesten und nimmt seine Aufgabe sehr ernst.«
»Vielleicht ist er auch durchgedreht. So etwas kommt vor«, entgegnete Damien achselzuckend. Irgendwann musste es doch jedem zu viel werden, eine Existenz als weißhaariger Riesenvampir mit der Persönlichkeit eines Felsbrockens zu fristen. Wenn er nicht bezahlt würde, ihn zu finden, wäre er geneigt, den Mann gehen und ihn in Ruhe sein Leben genießen zu lassen. Je mehr er darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher kam ihm diese Möglichkeit vor. Alles sprach dafür, dass der Vampir absichtlich untergetaucht war.
Auf Arianes Stirn war eine kleine widerspenstige Falte aufgetaucht. Offenbar war sie anderer Meinung … nicht dass ihn das überrascht hätte.
»Du kennst ihn nicht. Ich schon. Sam würde so etwas nicht tun. Jemand hat ihn entführt. Oder ermordet. Und derjenige folgt jetzt uns. Die Ereignisse von heute Abend können unmöglich Zufall sein.«
Ihre Theorie schien sie dermaßen aus der Fassung zu bringen, dass Damien kurz den Drang verspürte, auf ihre kleine Fantasie einzugehen und Ariane zu trösten. Aber er durfte nicht noch mehr Zeit mit solchem Geplänkel verlieren. Abgesehen davon war allein die Möglichkeit, dass er erneut zu schnurren anfangen könnte, so beschämend, dass sich jeder Gedanke daran von selbst verbot.
Er musste versuchen, die Spur der Verschwundenen aufzunehmen, ehe auch der letzte Hauch verweht war. Das Blut des jüngsten Opfers würde ihm helfen. Der Mörder hatte schlampig gearbeitet, und Damien war dafür dankbar.
Er deutete spöttisch eine Verbeugung an. »Tja dann. Ich wünsche dir mit deinen Theorien viel Glück. Ich fürchte, wir sind an dem Punkt, wo ich mich verabschiede, meine Werteste, und ich schlage vor, du nimmst dir an mir ein Beispiel. Manon war ein mächtiger Mann. Lass dich in diese Geschichte lieber nicht hineinziehen, wenn du noch etwas länger deine Freiheit genießen willst. Ich kann kaum fassen, dass ich dir das empfehle, aber du solltest auch die Perücke wieder aus der Mülltonne holen. Dein Haar ist wie ein Blinklicht.«
Ariane stand inmitten des blutigen Durcheinanders und verschränkte die Arme vor der Brust.
Damien musste sich zwingen, von ihr wegzubleiben. Dass sie so verloren aussah, kam ihm dabei nicht gerade gelegen. Sie schien offensichtlich überhaupt gar keinen Kontakt zu den Vampiren, die Damien so gewohnt war, zu haben. Sie schien auch nicht darauf aus zu sein.
»Du willst einfach so gehen?«, fragte sie. »Ein Mann ist tot. Wahrscheinlich sogar zwei.«
»Irgendwer wird hier auftauchen. Offiziell hatten sie hier heute nicht geöffnet, aber ich habe offensichtlich einen Termin bekommen, und ich bin mir ziemlich sicher, dass er noch ein oder zwei bedeutende Kunden herbestellt hat an einem Abend, an dem sie nicht dem sonstigen Gesindel über den Weg laufen.«
»Aber … hat er niemandem etwas bedeutet? Gibt es niemanden, den man verständigen sollte?«
Damien musterte sie, überrascht von der Aufrichtigkeit, die sie ausströmte. Es war wirklich ein Wunder, dass sie so lange in Charlotte überlebt hatte.
»Kätzchen«, schimpfte er. »Du bist hier in der richtigen Welt. Andauernd sterben Vampire. Ich würde lieber am Leben bleiben. Du musst wirklich lernen, dich damit abzufinden. Tu dir einen Gefallen und genieße die Zeit in der Stadt.
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