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Vertraute Schatten

Vertraute Schatten

Titel: Vertraute Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kendra Leigh Castle
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ausgestoßen zu haben, war sich aber nicht sicher. In ihren Ohren klingelte es, und in den Sekunden, die sie benötigte, um wieder auf die Beine zu kommen, spürte sie, wie aus dem Ohr, das den Schlag abbekommen hatte, etwas Warmes, Klebriges sickerte.
    Das heilt wieder
, beruhigte sie sich, auch wenn der Schmerz momentan unerträglich war.
Es ist nicht schlimm.
Ganz gleich, wie weh es tut.
    Dann hörte sie das vertraute Geräusch von Flügeln, das Zischen der Luft, als ihr Gegner vor ihr landete. Ariane war noch recht wackelig auf den Beinen, als Metall gegen Metall schabte. Ihr Feind zückte sein Schwert. Er war ein Grigori. Sie würde von einem aus ihrer Dynastie getötet werden, und sie hatte keine Ahnung, warum. Ihre Leute waren keine Mörder, sie waren keine –
    Als die Klinge herabfuhr, gelang ihr knapp der rettende Sprung zur Seite. Nur Zentimeter neben ihrem Kopf spürte sie den Luftzug.
    »Hör auf!«, brüllte sie. »Ich bin auch eine Grigori!«
    Wieder sprach diese tiefe, traurige Stimme. »Ich weiß. Und ich bedauere, dass ich dies tun muss. Aber ich will nicht mehr gejagt werden. Vor allem jetzt, da wahre Gefahren drohen.«
    Ihr lief es kalt über den Rücken. Die gefühllose Ausdrucksweise, an die sie sich die Jahrhunderte über gewöhnt hatte, ließ sie erstarren. Mit so jemandem war eine vernünftige Diskussion unmöglich.
    »Ich will Sammael finden, sonst nichts«, sagte Ariane in der Hoffnung, dass ihr genug Zeit blieb, ihr eigenes Schwert zu ziehen. Als sie nun ihren Angreifer besser sehen konnte, verschlug es ihr die Sprache.
    Er sah aus wie einer ihrer Ältesten. Unglaublich groß, breitschultrig, muskulös, das lange weiße Haar zu einem Zopf geflochten, der über den Rücken fiel. In seiner eisigen Vollkommenheit stand er Sam in nichts nach. Nur hatte dieser hier Stahl in den Augen. Er würde sie und Damien kaltblütig töten, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Die Frage lautete: Warum?
    Der nächste Schwerthieb kam zu schnell für sie. Während sie sich noch mühte, das Schwert aus der Scheide zu ziehen, durchzuckte ein Schmerz ihren Oberarm. Diesmal wusste sie, dass sie aufgeschrien hatte. Gleichzeitig rollte sie sich ab, und endlich, endlich kam sie hoch und hielt das Schwert in der Hand.
    »Wir töten nicht! Schon gar nicht uns gegenseitig!«, rief sie und schwang ihr Krummschwert, dass die Klinge blitzte.
    »Meine Ehre gebietet es mir. Wir tun, was wir tun müssen,
d’akara

    Das alte Kosewort in der Sprache ihres Volkes, so gleichgültig und hartherzig gebraucht, schmerzte sie mehr als ihr Kopf. Sie geriet ins Taumeln, hielt den Griff aber mit beiden Händen fest umschlungen.
    »Nein! Meine Ehre gebietet mir, meinen Freund zu finden, egal was du ihm angetan hast. Sariel konnte mich nicht aufhalten, und du kannst es auch nicht.«
    Er schien beeindruckt. In seinen kalten Augen tauchte etwas wie Verständnis auf. Sie hatte ihn verblüfft. Ariane sammelte all ihre Kräfte, um den Vorteil auszunutzen. Sie schwang das Krummschwert über ihrem Kopf und schlug zu. In letzter Sekunde reagierte der Grigori, war aber nicht schnell genug. Der Hieb riss ihm eine lange, tiefe Wunde in die Brust. Er wich zurück, fuhr die Flügel aus und versuchte so, sein Gleichgewicht zu halten.
    Mit einem wilden Kampfruf, den sie kaum als ihren erkannte, wirbelte Ariane herum und traf ihn erneut. Noch ein Schlag, doch diesmal prallte ihr Schwert klirrend auf seins. Ihm spritzte Blut aus der Brust, dann schloss sich die Wunde bereits.
    »Sag mir, wo er ist!«
    »Nein.« Statt Schmerzen zu zeigen, war er vollkommen ruhig. Doch seine Atmung ging ungleichmäßig. Sie musste nachlegen.
    »Du wirst es mir sagen.« Gefühle, die sie jahrhundertelang mühsam eingemauert hatte, fanden einen Riss und sprudelten hindurch. »Er war alles, was ich in der Wüste hatte. Du
wirst
es mir sagen.«
    Die Kraft, mit der sie das Schwert des größeren Vampirs zurückschlug, überraschte sie selbst. Aber ihre Worte hatten auch in ihm etwas ausgelöst. Unsicherheit, dachte sie, oder vielleicht auch nur Ekel, weil sie ihren Gefühlen Ausdruck verliehen hatte. Aber sein Tonfall ließ weder das eine noch das andere erkennen.
    »Nein. Heute Abend nicht … Ariane.« Ohne Vorwarnung stieß er sich ab, schoss empor und durchschlug, getragen von einer wahren Explosion von Kraft, die morsche Decke und das Dach und verschwand in der Nacht. Ariane starrte ihm hinterher. Sie hatte den Schwertgriff so fest gepackt, dass ihre Hände zitterten. Er

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