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Vertraute Schatten

Vertraute Schatten

Titel: Vertraute Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kendra Leigh Castle
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kannte ihren Namen. Und er hatte sich zum Rückzug entschlossen, obwohl er zwei Vampire ausgelöscht hatte, die ihr kaum mehr als vage Hinweise hätten geben können.
    Aber, bei allen Göttern dieser Welt, warum nur?
    Ihre Wut und Verzweiflung machten sich in einem gewaltigen Schrei Luft, der in den Nachthimmel hinaufhallte.
    Sie war drauf und dran, hochzuspringen und dem Grigori zu folgen. Ihre Flügel am Rücken juckte es schon, auszufahren und sie emporzutragen, als ihr plötzlich einfiel, dass sie ja nicht allein war.
    Sie war hin- und hergerissen, allerdings nur für einen kurzen Moment. Wenn der Grigori so alt war, wie sie vermutete, würde sie ihn in der Luft nie und nimmer erwischen. Das bewies schon sein spektakulärer Abgang. Außerdem litt Damien Schmerzen. Und so zwiespältig ihre Einstellung ihm gegenüber auch war, sie konnte ihn unmöglich so hängen lassen.
    Sie riss sich zusammen, so gut sie konnte, und eilte auf immer noch unsicheren Beinen zu Damien hinüber. Ihr ganzes Leben lang hatte sie für Kämpfe trainiert, aber nie einen ausgefochten. Doch heute Abend hatte sie blutige Wunden geschlagen in der Absicht zu töten … und ihr war klar, dass dies nicht das letzte Mal gewesen sein würde. Die aufgeschlitzte Brust des Grigori kam ihr in den Sinn, und sie spürte eine Welle von Übelkeit in sich hochsteigen.
    Nein
, befahl sie sich. Dies war jetzt ihre Realität, damit musste sie jetzt zurechtkommen.
    »Damien«, sagte sie leise, als sie bei ihm war. »Kannst du mich hören?«
    Man hatte ihn als Köder missbraucht und dementsprechend zugerichtet. Um seinen Hals war ein Draht so geschlungen, dass er ihm tiefe Einschnitte zufügte, ohne ihm den Kopf abzutrennen … außer man würde kräftig an ihm ziehen. Mit dem gleichen Draht waren auch seine Hände seitlich an den Körper gefesselt. An den Rändern, dort, wo er in die Haut einschnitt, trat Blut aus. Sein Haar, sonst so perfekt gestylt, war verschwitzt und struppig, sein Gesicht unnatürlich bleich. Wie bei einer Leiche. Benommen schlug er seine blauen Augen auf, die sie wortlos anflehten.
    Er sah so hilflos und verletzt aus. Wider besseres Wissen empfand Ariane so etwas wie Sympathie für ihn. Er war ein unerträglicher Idiot … aber er brauchte sie. Diese Rolle lag ihr auch deutlich mehr als die der Mörderin.
    Erst befreite sie seine Hände, die wie leblos herabhingen. Dann legte sie einen Arm um ihn und drückte ihn fest an sich, während sie den Draht durchtrennte, der von seinem Hals zur Decke ging. Vom Blutverlust geschwächt sank er ihr in die Arme. Der Draht hatte eine Selbstheilung verhindert. Er gab ein Geräusch von sich, ein erbärmliches Gurgeln, das wohl irgendein Wort sein sollte.
    Was es auch sein mochte, Ariane hatte das Gefühl, es würde den Moment der Innigkeit zerstören, deshalb achtete sie nicht weiter darauf. Sie musste dem großmäuligen Shade gegenüber ein wenig guten Willen aufbringen, denn ob sie nun wollte oder nicht, in der Sache steckten sie jetzt beide gemeinsam drin.
    »Nun komm schon«, sagte sie, als sie die Hauptlast seines Gewichts trug, um ihm auf die Beine zu helfen. »Ich habe dir das Leben gerettet. Da könntest du mir wenigstens ein bisschen mithelfen, dich hier rauszubringen.«
    Doch er sackte ohnmächtig gegen sie – was sie nicht wunderte. Schnell fing sie ihn auf. Dann blieb Ariane einen Moment stehen, drückte seinen kalten, aber gottlob lebenden Körper an sich und fragte sich, ob dies alles so hatte kommen müssen, seit er sie so plump in der Bar angemacht hatte. Die Grigori glaubten fest an die Macht des Schicksals, und Damiens Schicksal schien mit dem ihren verknüpft. Zumindest vorläufig. Ein Teil von ihr wünschte, sie könnte dagegen ankämpfen – so attraktiv sie ihn auch fand, im Grunde konnte sie ihn nicht sonderlich leiden, und sie war auch nicht so blöd zu glauben, Damien könnte tatsächlich über seine Wünsche und Bedürfnisse hinausdenken. Ihr Bündnis würde nicht lange halten und vermutlich im Streit enden. Aber er brauchte sie nun einmal. Und dieses Schnurren … das würde sie so schnell nicht vergessen.
    Immerhin ein Anfang.
    »Und du hältst mich für schwierig?«, fragte sie und betrachtete sein regungsloses, verflixt vollkommenes Gesicht. Dann schlang sie die Arme um ihn, fuhr die Flügel aus und flog mit Damien in die Nacht hinaus.

7
    Arianes Mietwohnung befand sich in einer schönen Anlage in South Park über einem gepflasterten Platz mit Geschäften und Restaurants.

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