Vertraute Schatten
zusammenreißen, sonst hätte sie ihm eine geknallt. »Lass mich ausreden. Ich bin kein Dummkopf, Damien. Mir ist durchaus bewusst, dass du die besseren Kontakte hast und leichter rausfinden kannst, was als Nächstes zu tun ist. Meine einzige Spur war Manon, und das nur per Zufall. Aber ich kann dir mehr bieten, als du denkst. Es ist nur … schwieriger, als ich dachte.« Sie senkte den Kopf, runzelte die Stirn und murmelte: »Und jetzt ist alles noch komplizierter geworden.«
»Du meinst den Grigori, der mich zusammengeschnürt hat?« Damien setzte sich auf. »Ich habe dir ja gesagt, das war keine normale Entführung. Wer war er? Noch ein Freund von dir?«
»Nein.« Ihr kam wieder in den Sinn, wie merkwürdig dieses Aufeinandertreffen gewesen war. »Davon rede ich ja. Er ist zwar einer von uns, aber ich habe ihn nie zuvor gesehen. Und das macht keinen Sinn, denn so viele sind wir auch wieder nicht.«
»Da sind wir uns einig«, antwortete Damien. »Das ist wirklich seltsam und sollte auf alle Fälle etwas näher unter die Lupe genommen werden. Aber dass du ihn nicht kennst, macht dich als Reisebegleiterin auch nicht wertvoller. Ich verstehe immer noch nicht, welchen Vorteil ich aus einer Partnerschaft mit dir haben sollte.«
Ariane schaute ihn an, sah sein teilnahmsloses Gesicht, das nur aus Höflichkeit leichte Neugier zeigte, und wusste, aus Mitgefühl oder Mitleid würde er sie nie akzeptieren. Für ihn zählte nur, ob und wie viel er von ihr profitierte, unabhängig von jeglichem Gefühl. Vielleicht hatte Sariel ja recht, und sie verließ sich wirklich viel zu sehr auf ihr Empfinden. Sie musste streng logisch vorgehen. Nur so konnte sie bei Damien etwas erreichen.
»Vier Hände schaffen mehr als zwei, und wenn es zum Kampf kommt, weiß ich mich zu wehren«, sagte sie. »Ich habe genug Geld, um für mich selbst aufzukommen. Darum brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Außerdem kenne ich Sammael. Ich verstehe ihn, und ich verstehe die Grigori auf eine Art und Weise, die dir verschlossen ist. Wenn man sich die jüngsten Ereignisse anschaut, sollte man meinen, das wäre sogar für dich sehr von Nutzen.«
Damien nickte ihr zu. »Überzeugend. Drake wäre fasziniert von dir.«
»Drake?«
»Der Meister der Shades. Mein Arbeitgeber. Informationen zu sammeln ist eins seiner ziemlich einträglichen Hobbys gewesen … aber über deine Dynastie weiß er so gut wie nichts. Was ihn maßlos ärgert. Wenn ich mit dir etwas Zeit verbringe, könnte das ein paar Dinge enthüllen, an denen er interessiert wäre. Und wenn er Interesse hat, bekomme ich, was ich will.« Sein Blick hatte etwas Durchtriebenes angenommen. »Deine Flügel zum Beispiel. Nützlich, hübsch und sehr, sehr seltsam. Kein Wunder, dass ihr euch in der Wüste verkriecht. Ansonsten wäre das wohl kaum geheim zu halten.«
Ihr wurde leicht übel. Dass sie ihn gerettet hatte, würde sie noch büßen müssen. Aber das änderte nichts am Grundproblem. Sie brauchte Damien, um Sam zu finden. Und egal welche Geheimnisse sie preisgab oder nicht – nach Hause konnte sie sowieso nicht mehr zurück.
»Es würde wohl nichts bringen, wenn ich dich bitten würde, das für dich zu behalten, oder?«, fragte sie ruhig.
»Nein. Aber wenn du dich dann besser fühlst: Es spricht sich höchstwahrscheinlich nicht weit herum. Wissen ist umso wertvoller, je weniger es haben.« Als er sich aufsetzte und vorbeugte, ähnelte er mehr denn je einer Katze.
»Über eins musst du dir im Klaren sein, Ariane: Für mich ist das nur ein Auftrag wie jeder andere. Ich werde dich aus einem fehlgeleiteten Verständnis von Fairplay heraus weder verhätscheln noch deine Geheimnisse bewahren. Wenn wir zusammenarbeiten, dann ist das eine rein geschäftliche Angelegenheit, sonst nichts. Und den Nutzen daraus ziehe letztlich ich. Bist du dir sicher, dass du das willst?«
Ariane holte tief Luft. Auf seine Art war Damien von Anfang an grundehrlich zu ihr gewesen, und er war es auch jetzt. Sie sollte besser nichts von ihm erwarten. Er würde sich bestimmt nicht ändern, nur um ihr einen Gefallen zu tun. Aber er kannte sich in dieser Welt aus, von der sie bestenfalls eine oberflächliche Ahnung hatte. Sein Ziel war das gleiche wie ihres, auch wenn sein Lohn ein völlig anderer war. Und obwohl sie wusste, wie grenzenlos dumm es war: Sie konnte dieses verführerische, raue Schnurren nicht vergessen, und auch nicht das Gefühl, das seine heiße Zunge auf ihrem Hals ausgelöst hatte.
In die Wüste
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