Verwechseljahre: Roman (German Edition)
Lampenschirm Geborgenheit, Liebe und Harmonie. Dort war ich nur geduldet gewesen, hier gehörte ich selbstverständlich mit dazu. Gerührt blinzelte ich eine Träne weg. Wir plauderten mit den Kindern, die sich eifrig um mich bemühten: Sie schenkten Wasser nach, brachten mir eine Serviette und stellten eigens eine Kerze vor mir auf. Später durften sie noch eine Sandmännchen-Sendung sehen. Ich schaute Silke dabei zu, wie sie Ben stillte, und half dann Mutter Beate beim Aufräumen der Küche.
»Es tut mir leid, dass ich Sie hier so überfallen habe …«, begann ich zaghaft, und fast wäre mir entschlüpft: »Ich wusste nämlich gar nicht mehr, wohin! Zu Hause habe ich buchstäblich nur Scherben hinterlassen!«
Sie warf mir einen mitfühlenden Blick zu und schien meine Verzweiflung auch so zu bemerken. Sie drückte mir ein Glas Wein in die Hand und sagte: »Setzen Sie sich, Carin! Erzählen Sie mir von sich!«
Ich druckste ein bisschen herum. »Da gibt es nicht viel zu erzählen …« Ich schluckte.
Sie drehte sich zu mir um, den Spüllappen noch in der Hand: »Warum haben Sie Roman damals abgegeben?« Ihre Augen drückten Wärme aus, Verständnis. »Es muss schwer für Sie gewesen sein, sich zu diesem Schritt durchzuringen.«
Ich merkte, dass sich etwas in mir zusammenzog. Diese Frage, auf die ich bei Roman monatelang gewartet hatte, kam von Beate, kaum dass wir uns unter vier Augen unterhielten! Ich war so erleichtert, dass sie mir Gelegenheit gab, mir alles von der Seele zu reden! In groben Zügen erzählte ich ihr, was sich damals zugetragen hatte. Zu meiner Überraschung rannen mir plötzlich Tränen übers Gesicht. »Verdammt, Carin!«, hörte ich meine Mutter sagen. »Reiß dich zusammen!« Aber meine Gefühle schlugen wie eine Riesenwelle über mir zusammen und rissen mich mit. Ich war hier regelrecht angespült worden, wie eine Schiffbrüchige. Ich wusste nicht, wohin das alles führen sollte. Silkes nicht mehr intakte, aber nichtsdestotrotz fröhliche Familie war völliges Neuland für mich. Ich musste mich hier erst Schritt für Schritt vorantasten. Trotzdem hatte ich seit Langem wieder das Gefühl, festen Boden unter den Füßen zu haben.
»Sie haben alles richtig gemacht, Carin!« Beate nahm meine Hand. »Sie hatten keine andere Wahl. Aber ich kann mir vorstellen, dass Sie Ihr Leben lang mit dieser Entscheidung gehadert haben.« Sie setzte sich zu mir auf die Küchenbank und legte den Arm um mich. »Roman hat eine wundervolle Mutter verloren. Obwohl Viktors Frau sich alle Mühe gegeben hat, sie zu ersetzen.«
Ich schluckte einen riesigen Kloß hinunter. Wie konnte es sein, dass diese warmherzige Frau, die ich nie zuvor gesehen hatte, mir so viel mehr Verständnis entgegenbrachte als mein eigener Sohn? Ich zog die Nase hoch, blinzelte die Tränen weg und suchte verzweifelt nach einem Taschentuch.
Beate reichte mir ein Blatt von der Haushaltsrolle. »Carin, lass uns Du sagen! Du gehörst doch jetzt zur Familie.«
Ich brachte kein Wort heraus. Mit einem Kloß im Hals hielt ich mich an meinem Glas Wein fest. Ich nickte nur, während sich eine Träne von meinem Kinn abseilte. Ich hatte eine neue kleine Familie. Eine neue Freundin.
Beates ruhige graublaue Augen fanden die meinen. »Wein dich nur aus, das muss dir nicht peinlich sein. Ich glaube auch nicht, dass du rein zufällig hier bist, um Weihnachtseinkäufe zu machen. Als Silke und ich deine Nachricht auf dem Anrufbeantworter gehört haben, haben wir gleich an deiner Stimme gemerkt, dass du in Not bist.«
Ich sah zu ihr hinüber, und auf einmal kamen die ganze Trauer, die Enttäuschungen und verpassten Gelegenheiten der letzten Wochen wieder hoch. Mit meiner Selbstbeherrschung war es fürs Erste vorbei. Ich lehnte mich einfach an diese warmherzige Beate und weinte mich an ihrer Schulter aus. Ich schluchzte mir regelrecht die Seele aus dem Leib. »Es tut mir so leid, was aus Roman geworden ist! Er hat euch allen das Leben versaut! Und ich bin schuld daran!«
Ihre Hand strich sanft über meinen Rücken. »Du hast das Beste aus deinem Leben gemacht, Carin. Und das Beste für Roman gewollt. Keine Mutter gibt ihr Kind leichtfertig ab. Du hast aus Liebe gehandelt. Und du solltest stolz auf dich sein!« Sie hielt meinem verdutzten Blick stand und lachte dann. »Außerdem ist dein Leben noch lange nicht vorbei!« Sie stieß mich freundschaftlich in die Rippen. »Los, Oma Carin! Du hast noch zu tun!«
Als ich Trappelschrittchen hörte, wischte ich
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