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Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Titel: Verwechseljahre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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würde ich natürlich nicht sagen. Wieder hörte ich die Stimme meiner Mutter: »Kind, halt dich fein zurück. Der Mann spürt schon selbst, was du für ihn empfindest.«
    Nach gefühlten zehn Minuten öffnete sich die Tür wieder. Meine Hoffnung, vor Viktor stehen und in seine ausgebreiteten Arme sinken zu dürfen, fiel jäh in sich zusammen, als die Arrogante mit der Perlenkette erneut vor mir stand.
    »Herr Stiller ist nicht auf Besuch eingestellt«, sagte sie knapp. War er womöglich – im Schlafanzug? Im Morgenmantel? Hatten die beiden etwa bereits eine intime Beziehung? Mir wurde ganz schlecht bei dem Gedanken.
    »Auch nicht auf Besuch von – mir?« Ich konnte es einfach nicht fassen, dass diese Frau sich das Recht herausnahm, mich im Garten stehen zu lassen!
    »Von niemandem, der sich nicht angemeldet hat.«
    »Darf ich dann wenigstens mal kurz Ihre Toilette benutzen?« Ich trat von einem Bein aufs andere. »Wissen Sie, ich bin von Kleinklinkersdorf mit der S-Bahn angereist …«
    Ich hob die Stimme und hoffte, das Wort »Kleinklinkersdorf« würde einen oben lauschenden Viktor milde stimmen!
    Die Fremde versteinerte immer mehr. »Am Bahnhof sind öffentliche Toiletten. Guten Tag.«
    »Aber …« Ich nahm all meinen Mut zusammen und rief: »Das hier sind selbst gebackene Kekse! Darf ich die wenigstens hierlassen? Mit lieben Grüßen von Silke und den Kindern?!« Doch als ich ihr fest in die Augen sah, wandte sie sich einfach ab.
    »Die Stelle ist schon besetzt«, sagte die Frau und knallte mir die Tür vor der Nase zu.
    Wie ein begossener Pudel schlich ich an der inzwischen nachtschwarzen Alster zurück. Ich musste so dringend auf die Toilette, dass ich mit dem Gedanken spielte, mich in ein dunkles Gebüsch zu verziehen. Ben schrie sich immer noch die Seele aus dem Leib. Bestimmt hatte er die Windeln voll.
    In einem Café riss ich den armen Kerl aus seinen Decken, wickelte ihn auf der Damentoilette und fütterte ihn aus einem Alete-Gläschen, das eine mitleidige Kellnerin für mich warm gemacht hatte.
    »Können Sie ihn mal kurz halten? Ich müsste dringend auf die Toilette!«
    Ratlos schaute ich in den Spiegel. Eben war ich mir noch so hübsch vorgekommen, wie ein kesser Käfer im zweiten Frühling. Jetzt fühlte ich mich faltig, strähnig und hässlich. Meine Güte!, schoss es mir durch den Kopf. So muss es Sonja gegangen sein! Das sind die Wechseljahre! Tatü, tata, jetzt sind sie auch mit Blaulicht bei mir eingezogen! Schweißausbrüche, Tränenausbrüche, Blasenschwäche. Na toll!
    Diese blöde Föhnwellenstrickensembleperlenkettenkuh! Blanker Zorn erfasste mich. Wer war sie überhaupt? Seine Haus hälterin? Oder seine neue Lebensgefährtin? Welche Stelle war schon besetzt? Egal, er hätte mich reinbitten müssen, nachdem er meinen Namen gehört hatte. Das wäre ein Mindestmaß an Höflichkeit und Anstand gewesen. Er machte sich nichts aus mir. Er wollte mich nicht unter seinem Weihnachtsbaum sitzen haben. Da saß jetzt schon die Perlenkettenkuh. Unendlich ent täuscht trat ich den Heimweg an. So viel Desinteresse und Arro ganz hätte ich Viktor Stiller nicht zugetraut.
    Zu Hause erzählte ich Silke nur, ihn nicht angetroffen zu haben. Meinen Zorn und meine Enttäuschung behielt ich für mich. Und mein kleiner Zeuge (Jehovas) Ben konnte ja noch nicht sprechen.

34
    Z wei Tage vor Heiligabend – Laura war in der Schule und Max im Kindergarten – fasste ich den spontanen Entschluss, noch mal mit Ben die S-Bahn nach Hamburg zu nehmen. Diesmal wollte ich nach Weihnachtsgeschenken Ausschau halten. Klein-Ben war so dick eingepackt, dass nur seine graublauen Äuglein und die Nasenspitze hervorschauten. Ich trug Mantel, Mütze und Schal gegen den eisigen Nordwind. Ich bildete mir ein, das Meer riechen zu können. Krähen und Möwen kreischten im grauen Dunst. Norddeutschland lag wie unter einer Eisglocke.
    Als ich am Bahnhof ausstieg, schlug mir die kalte Betriebsamkeit entgegen, die es nur in Großstädten gibt. Menschen eilten teilnahmslos an mir vorbei, es wimmelte nur so von dunkel gekleideten Gestalten mit Stiefeln und Rucksäcken. Sie kamen mir vor wie Mitglieder einer Armee, die alle auf ein unliebsames Ziel zuzustreben schienen. Insgeheim dankte ich dem lieben Gott, dass ich im beschaulichen Butterblum leben durfte, in meinem gemütlichen Städtchen am Starnberger See. Wo die Welt zwar schlief, aber noch irgendwie in Ordnung war.
    Ich seufzte. War sie es denn noch? Gab es dort noch einen Platz für

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