Verwechseljahre: Roman (German Edition)
rannten. Ich sah ihn ungläubig an und musste lachen. Vorher sei er in Berchtesgaden bei den Gebirgsjägern gewesen, erzählte Manni Adler weiter, während er unsere Sportgeräte sichtete und hier und da prüfend Hand anlegte. Er habe Soldaten in Kampfsport ausgebildet und in Gletscherspalten und Höhlen übernachtet.
Ein knallharter Bursche also. Toll! Wo hatte Sonja den nur für unser Mutti-Studio in Butterblum-Nord aufgetrieben? Das wollte ich sie fragen, sobald sie mit ihrer Frisurenkrise fertig war. Aber wie dem auch sei: Dieser junge Kerl würde uns Feuer unterm Hintern machen. Als Erstes werde er das Fitnessangebot um Selbstverteidigung und asiatische Kampfkunst bereichern, teilte er mir entschlossen mit. Das sei mit Sonja so abgesprochen.
»Da werden Sie uns aber gehörig ins Schwitzen bringen«, antwortete ich. »Wir sind hier nämlich ein ganz normaler Hausfrauenverein, der nur ein bisschen Spaß haben will.«
»Den werden wir auch haben.«
Wieder sah mich der Mann so vielsagend an, dass meine Knie puddingweich wurden. Wieder flackerte sein Blick. War er verlegen? Aber doch nicht meinetwegen?! Baggerte er mich an? Quatsch, Carin, schimpfte ich mit mir. Er könnte dein Sohn sein!
Ich erstarrte. Er könnte … Ich schluckte. Blödsinn! Mein Sohn war in der Arktis. Mein Sohn hatte dunkelbraune Augen und schwarze Haare. Dieser hier war blond und blauäugig. Er war ein völlig anderer Typ! Außerdem hatte er einen rheinländischen Akzent und Roman einen norddeutschen. Ich sah schon Gespenster.
Vivian erschien. Aus irgendeinem Grund hatte sie das knappste Fitnessdress gewählt, das sie auftreiben konnte. Ein grellrotes mit Glitter drauf, das ihren knackigen Po perfekt zur Geltung brachte. Sie servierte ihm ihre Reize gewissermaßen auf dem Silbertablett. Als kleinen Gruß aus der Küche. Auch ihren Busen versteckte sie nicht. Ein paar Paradiesäpfel, drall und appetitlich angerichtet. Als Amuse-Gueule. Manni Adler fielen fast die Adleraugen aus dem Kopf. Er wurde doch tatsächlich rot!
Na bitte!, dachte ich mit wohligem Gruseln. Wenn das nicht gefunkt hat. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte mich an die Fensterbank. Auf einmal war ich Luft. Klar.
Die beiden jungen Leute kamen sofort ins Gespräch und fach simpelten über die neuesten Foltergeräte aus Kanada. Daran würde Sonja sich demnächst vor lauter Frust quälen. Meine arme Freundin.
9
R ainer hatte mir wieder einen Zettel mit einem grünen Ge dicht unter der Wohnungstür durchgeschoben:
Trennung
von dir
bedeutet nicht Schmerz,
sondern
unbändige Freude,
dich
bald
wiederzusehen.
Da konnte ich ihm genauso gut die Tür öffnen. Er stand nämlich abwartend davor:
»Was gibt’s Neues?«
»Nix.«
»Dein Sohn ist also nicht aufzutreiben. Das ist Pech.« Forsch betrat Rainer die Wohnung.
»Er wird sich schon wieder melden«, spielte ich meine Enttäuschung herunter.
»Hast du ihn schon gegoogelt?« Rainer war mir in die Küche gefolgt und griff ganz selbstverständlich in die Obstschale, um sich eine Birne zu nehmen. Laut krachend verspeiste er sie.
»Ja, das habe ich.« Energisch trug ich die Schale auf den Balkon. »Die Küchenrolle steht da hinten!«
»Ich natürlich auch«, sagte Rainer und folgte mir erneut. »Er ist dunkelhaarig und hat braune Augen. Er ist Autor oder Redakteur oder so was, arbeitet für einen Sachbuchverlag und dreht Dokumentarfilme.«
Ich wirbelte zu ihm herum. »Als ob ich das nicht längst wüsste! Und stell dir vor, ich weiß sogar noch mehr. Im Moment ist er in der Arktis!« Nicht ohne Stolz berichtete ich ihm, was ich inzwischen in Erfahrung gebracht hatte.
»Oh!«, sagte Rainer. »Da habe ich dich wohl unterschätzt. Entschuldigung.« Er nahm meine Hand und setzte seinen Dackelblick auf. »Bitte, Carin. Sei mir nicht böse. Ich bin ein dämlicher Trottel.«
Ich starrte ihn an. Ja, dachte ich. Das bist du. Aber kann man dir böse sein?
»Ich will dir doch nur beistehen in dieser schweren Phase.«
Also ehrlich gesagt wollte Rainer mir immer beistehen. Egal, welche Phase ich gerade hatte. Da war er nicht wählerisch.
Eigentlich wollte ich heute Abend allein sein, die Beine baumeln lassen und mir einen Obstsalat einverleiben. Seit ich den neuen Trainer zu Gesicht bekommen hatte, wollte ich doch ein bisschen was für meine Figur tun. Nicht, dass ich besorgniserregend aus der Form geraten war, aber gesunde Ernährung ist bekanntlich das A und O. Besonders, wenn gerade ein junger Fitnessgott
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