Verwechseljahre: Roman (German Edition)
immer.«
Aber
ich
wünsche
es
mir
sehr.
Rainer hatte inzwischen freien Zutritt zu unserer Wohnung und konnte seine kleinen Briefe überall hinterlassen. Von Rausschmeißen konnte keine Rede mehr sein.
Als ich wieder einmal Trost suchend bei Billi vorbeischaute, fand ich Roman bei ihr im Wohnzimmer vor. Weil die Haustür offen gewesen war wie immer, prallte ich zurück, als ich die bei den heftig diskutieren hörte. Mein Sohn besprach seine Probleme lieber mit ihr als mit mir!
»Ich mag sie«, hörte ich ihn aufgebracht sagen. »Echt, sie ist eine prima Frau, aber …«
Ich befürchtete schon, er meinte mich, als er fortfuhr: »Bitte erklär ihr doch, dass ich die Fitness- DVD mit Vivian drehen will und nicht mit ihr!«
»Roman, das kannst du nicht machen!« Billi redete eindringlich auf ihn ein.
»Sie ist um ihre Jugend betrogen worden, sie hat einfach so viel nachzuholen! Sie braucht jetzt die Bestätigung, die öffentliche Anerkennung, sie will es der ganzen Welt noch einmal zeigen, gerade jetzt, wo Holger sie verlassen hat!«
»Das ist doch ihr Problem!«
»Nein, Roman. Schau mal.« Billi setzte sich neben ihn und sah ihm fest in die Augen. »Wir sind hier alle eine große Familie. Wir sind füreinander da.«
Roman schlug mit der Faust auf den Tisch. »Ich habe schon genug Scheiße an der Backe! Echt jetzt!«
Ich hatte schreckliches Herzklopfen, aber ich riss mich zusammen. Das war MEIN Sohn. Ich hatte hier auch noch ein Wörtchen mitzureden. Forsch betrat ich das Zimmer.
»Wir klären das, Roman, versprochen!«
Billi sah mich fast dankbar an.
»Wir haben Sonja einfach nur aus ihrer Krise reißen wollen«, erklärte ich schuldbewusst. »Es tut mir leid. Wir reden mit ihr.«
»Aber sie wird sich umbringen, wenn Roman die DVD mit Vivian dreht«, gab Billi zu bedenken. »Das verkraftet sie nicht!«
Ich holte tief Luft. »Roman. Könntest du dir vorstellen, die DVD mit beiden zu machen?«
»Ja!«, rief Billi erleichtert aus. »Das ist doch eine brillante Idee!«
»Das wäre für Sonja und Vivian das Beste. Die eleganteste Lösung!«
»Meinetwegen«, brummte Roman. »Aber nur, wenn Sonja im Hintergrund bleibt.«
Erst wollte ich schon eifrig nicken, aber dann stellte sich plötzlich etwas in mir quer. Gehörten Frauen in der Mitte des Lebens wirklich in den Hintergrund? Während Männer mit siebzig Bundespräsident und mit achtzig Papst werden? Da war ja wohl mal eine Grundsatzdebatte fällig!
Ich schüttelte den Kopf. »Jetzt hör mir mal gut zu, mein Sohn.«
Oh. Das hörte sich … gut an. Ich war selbst ganz erstaunt, mich so reden zu hören. Mein erster mütterlicher Ratschlag. Meine erste mütterliche Standpauke. Für die Würde der Frau.
»Sonja geht auf die fünfzig zu, das ist nun mal Fakt. Aber sie ist verdammt fit für ihr Alter. Sie hat hart an sich gearbeitet. Und sie kann anderen Frauen ein Vorbild sein.«
»Ja«, stimmte Billi mir zu. »Es ist keine Kunst, mit fünfundzwanzig leicht und biegsam wie eine Feder zu sein. Aber Sonja beweist, dass man sich als Frau mit fünfzig nicht verstecken muss.«
»Es stimmt schon, sie ist für ihr Alter noch sehr attraktiv«, räumte Roman ein. »Aber Vivian …«
»… hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen, ist tausendmal schöner als sie. Das willst du doch damit sagen!«
»Ähm …« Roman wurde nun doch etwas verlegen. »Ich steh halt mehr auf jung und knackig.«
Billi und ich wechselten einen vielsagenden Blick.
»Und? Ist Sonjas Anblick deshalb eine Zumutung? Ich kann einfach nicht zulassen, dass Frauen mit fünfzig nicht mehr vor die Kamera dürfen«, verteidigte ich meine Freundin. »Das ist ein beschissenes Vorurteil, und damit räumen wir jetzt auf.«
Roman sah zwischen Billi und mir hin und her.
»Ist doch wahr!«, gab sie mir Rückendeckung. »Sonja hält sich körperlich fit, und ich halte mich geistig fit, mache mit fünfzig noch meinen Doktor! In uns steckt viel mehr, als die Welt uns zutraut!«
»Und ich werde mit fünfzig noch mal Mutter«, sagte ich lächelnd und sah Roman bittend an. »Los, Roman. Gib uns eine Chance!«
»Also gut.« Roman nickte gnädig. »Weil ich gegen euch sowieso nicht ankomme.«
15
U nd Vivian?«, fragte Rainer.
Wir spazierten denselben Seerundweg entlang, den wir damals am Tag nach Mutters Unfall genommen hatten. Wieder wimmelte es von Familien mit Kinderwägen, Dreirädchen, Fahrrädern, Hunden und anderem Zubehör. Mehr denn je sahen wir nun selbst aus wie eine Familie. Wir
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