Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Titel: Verwechseljahre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
Vom Netzwerk:
…«
    »Ja«, beteuerte ich und trat sie ebenfalls. »Und dann gehen wir auch ganz schnell wieder.«
    Der Reeder lehnte sich seufzend zurück und sah uns mit ernster Miene an.
    »Roman ist in Rom. Auf der Suche nach seinem Erzeuger.«
    Dann begann Viktor Stiller, dieser anfangs noch so wortkarge Mann, zu erzählen. Verzweifelt schilderte er uns, was ihm in letzter Zeit alles widerfahren war.
    Seine Frau Beatrice, eine kühle hanseatische Schönheit, die massenhaft Charity-Projekte auf die Beine gestellt hatte, war vor sechs Monaten plötzlich an Krebs erkrankt. Sie hatte immer öfter über Migräne und Übelkeit geklagt, und als sie endlich mal zum Arzt gegangen war, wies der sie gleich in eine Privatklinik ein. Hier unterzog man sie drei Tage lang allen möglichen Untersuchungen, und dann stand die schreckliche Diagnose fest: Leberkrebs im Endstadium. Obwohl sie nicht übermäßig getrunken hatte. Benachbarte Organe waren auch schon befallen. Viktor Stiller pflegte seine Frau zu Hause, wechselte sich mit Roman ab. Natürlich kam auch ein mobiler Pflegedienst, und ein befreundeter Arzt spritzte Morphium. Eines Morgens war Beatrice ganz gelb im Gesicht. Die Leber hatte aufgehört zu arbeiten.
    Roman hatte seine Mutter abgöttisch geliebt. Sie war seine primäre Bezugsperson gewesen, da Viktor sich um die Reederei gekümmert hatte und auch häufig unterwegs gewesen war. Eines Tages – Beatrice war fast vollständig bettlägerig und wurde nur noch für wenige Minuten auf die Terrasse geschoben, kam Roman nach Hause und fand seine Mutter mitsamt dem Rollstuhl im Pool treibend vor.
    Es war ein wahnsinniger Schock für ihn, aber sie hatte ihrem qualvollen Sterben ein Ende gemacht. Auf der verzweifelten Suche nach einem Abschiedsbrief schloss Roman sich tagelang in ihrem Schlafzimmer ein und durchwühlte sämtliche Schubladen. Dabei stieß er auf die Tagebücher der Mutter, auf den Schriftverkehr mit der Adoptionsstelle und auf seine gefälschte Geburtsurkunde. Er hatte bis zu diesem Zeitpunkt nicht die geringste Ahnung gehabt, dass er adoptiert war.
    Das stimmte alles mit dem überein, was Roman mir in seinem Brief geschildert hatte.
    Dann erzählte uns der Reeder auch noch die Geschichte mit der alten Tante, die Beatrice angeblich in Bayern gepflegt hatte. Und dass seine Frau schließlich mit einem Baby wiedergekommen sei, das sie angeblich in der Zeit geboren hatte. Die ganze Verwandtschaft hatte sich gefreut, denn Beatrice und Viktor hatten sich schon jahrelang vergeblich ein Kind gewünscht. Das heißt, vor allem Beatrice. Viktor hätte auch gut ohne Kind leben können.
    Viktor Stiller erzählte das alles fast emotionslos, während meine Freundinnen ihn mit offenen Mündern anstarrten.
    Roman war kein einfaches Kind gewesen, sehr aufbrausend, mit einem hitzigen Temperament – an dieser Stelle warf Viktor Stiller mir einen vielsagenden Blick zu, so als wollte er sagen, jetzt wissen wir ja auch, woher er das hat, von einem Italiener also! Roman habe viel Mist gebaut, erzählte er. Der Junge sei zweimal sitzen geblieben, habe die Schule wechseln müssen, habe das Auto seiner Mutter zu Schrott gefahren und vieles mehr. Er, Viktor, habe aber immer zu seinem Sohn gestanden und ihn aus allen Schwierigkeiten »rausgepaukt«. Mit Geld und guten Anwälten.
    Hier sahen Billi, Sonja und ich uns fragend an, wagten aber nicht, ihn zu unterbrechen. Was hatte er denn noch angestellt, außer den üblichen Jungenstreichen?
    Viktor Stiller seufzte laut. Anscheinend wollte er nicht weiter ins Detail gehen. »Wie dem auch sei«, beschloss er seine Schilderungen. »Wir waren ein eingespieltes Team, Beatrice, der Junge und ich. Er hatte viele Freiheiten, denn Beatrice hat ihn nach Strich und Faden verwöhnt. Vielleicht hätte ich ihn mal so richtig auf die Schnauze fallen lassen sollen.« Er wischte sich über die Augen. »Habe ich aber nicht gemacht.«
    Anschließend erfuhren wir Folgendes:
    Als Roman auf diese Weise herausfand, dass er gar nicht das leibliche Kind seiner Eltern war, rastete er völlig aus. Sein Temperament ging mit ihm durch, er zertrümmerte Möbel und warf Sachen aus dem Fenster. Es kam zu einem schrecklichen Krach mit seinem Vater, der neben Beatrice als Einziger die Wahrheit gewusst hatte. Selbst die Großeltern hatten ihn für »echt« gehalten! Roman warf Viktor vor, ihn sein Leben lang belogen zu haben, und Viktor warf Roman andere Dinge vor, die er jetzt nicht wiederholen wollte.
    »Dass er geschnüffelt hat«,

Weitere Kostenlose Bücher