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Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Titel: Verwechseljahre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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finden wollte! Er hat wirklich ausgehen wie ein Stück Treibholz.«
    Huch! Unsere pragmatische Vivian wurde ja plötzlich ganz poetisch! Ich fasste sie am Arm: »Du liebst ihn, nicht wahr?«
    »Klar!« blaffte sie zurück. »Ich meine, mache ich mich sonst für jemanden so zum Affen?«
    »Und dass er Frau und drei Kinder hat, stört dich nicht?«
    »Glaubt ihr, das macht mich nicht völlig fertig?«, schrie Vivian zurück. Plötzlich hatte sie Tränen in den Augen. »Aber es gibt viele geschiedene Ehemänner, die für ihre Kinder Unterhalt zahlen und noch mal eine neue Familie gründen! Also brecht nicht gleich alle den Stab über ihn.«
    »Tun wir doch nicht, Liebes!«
    »Beruhige dich doch, Schatz.«
    »Er zahlt aber nicht.« Ich schien die Einzige zu sein, die Roman sah, wie er war, und nichts beschönigen wollte. »Er macht sogar Schulden.« Ich zog die Augenbrauen hoch und sah mit zusammengepressten Lippen in die Runde. »Das ist eine Tatsache!«
    »Lass sie weitererzählen!«, bat Billi und warf mir einen beschwichtigenden Blick zu. »Wir können das Problem erst lösen, wenn wir es kennen.«
    »Roman war so verzweifelt und aufgewühlt!«, fuhr Vivian mit bebender Stimme fort. »Er hat gesagt, ich könne mir gar nicht vorstellen, wie es ist, von seinem eigenen Fleisch und Blut abgelehnt zu werden!«
    Vivian wischte sich über die Augen. Ihr Blick traf mich bis ins Mark.
    »Also, wenn du mich meinst, Vivian, die Umstände damals …«
    »Ach, das spielt doch jetzt gar keine Rolle mehr!«, blaffte sie mich an.
    Tja, sie war nun mal leidenschaftlich in ihn verliebt. Ich konnte das gut nachvollziehen. Ich wäre als junge Frau auch in ihn verliebt gewesen. Schließlich war ich ja auch in seinen Vater verliebt gewesen. Bis über beide Ohren! Hinzu kam, dass Roman ein hervorragender Schauspieler war. Er wusste um seine Wirkung. Er machte einen auf »verlorener Sohn« und löste damit Hormonschübe bei sämtlichen Frauen aus. Wenn er mit offenen Karten gespielt hätte, hätte ich alles für ihn getan. Ich hätte sogar mein letztes Hemd für Roman gegeben. Aber seine Lügen hatten mein Herz verhärtet. Selbstschutz?
    Was also erwartete Roman von Alessandro Bigotti? Dass er ihn mit ausgebreiteten Armen im wehenden Talar vor dem Petersdom begrüßen würde? Oder eher Geld, dachte ich kühl. Viel Geld. Und während Vivian aufgeregt weitererzählte und ich ihrem hübschen Mund beim Sprechen zusah, kam ich nicht umhin, festzustellen, dass ich mich jedem der Beteiligten näher fühlte als meinem eigenen Sohn. Meinen Freundinnen, Vivian, Silke, den drei Kindern. Ja, sogar Viktor Stiller! Allen, die mein Sohn geschädigt, benutzt und belogen hatte, fühlte ich mich verbundener. Das schockierte mich einerseits, andererseits ließ es mich erschreckend kalt. Wo blieben nur meine Muttergefühle? Man hörte doch immer von Mördern und Verbrechern, deren Mütter sie noch genauso liebten und verteidigten wie früher im Sandkasten. Aber ich hatte diese Gefühle nicht! War das normal? War ich überhaupt eine Mutter? Vielleicht lag es daran, dass ich mir nicht wirklich gestattete, ihn bedingungslos zu lieben?
    »Carin? Bist du noch da?«
    »Hörst du überhaupt noch zu?«
    »Oh, entschuldigt. Ich war nur gerade in Gedanken.«
    »Das sieht man. Du starrst Löcher in die Luft!«
    »Vivian erzählt uns gerade, wie sie es mit weiblichem Charme geschafft hat, an der Schweizergarde vorbei ins Innere des Vatikans zu gelangen!«
    »Und dann stand ich tatsächlich vor ihm! Er ist ein sehr gut aussehender Herr mit grau melierten Haaren, im bodenlangen lila Umhang mit Käppi, und stellt euch vor, er hat wirklich Ähnlichkeit mit Roman!«
    »Wie alt?«, fragte Sonja.
    »Keine Ahnung. So eine Robe ist ja zeitlos schick …«
    »Sechzig«, sagte ich. Auch hier blieb jedes Gefühl der Rührung, Neugierde oder Überwältigung aus. Ich hörte mir das ganz sachlich an, so als ginge es um einen Wildfremden.
    »Und dann hat er Small Talk mit mir gemacht und mich ungefähr eine halbe Stunde rumgeführt. Er ist ein formvollendeter Gentleman, spricht ein süßes Deutsch mit italienischem Akzent. Er hat mir alle möglichen Fresken gezeigt und eine Menge diamantenbesetzter Kreuze, die da rumhängen, aber irgendwann musste er zu seinem Freund Benedikt zum Tee. Er wollte ihn dahingehend beraten, dass er sein Amt niederlegt.«
    Vivian grinste und genoss die Wirkung ihrer Worte.
    »Cool!«, sagte Sonja beeindruckt.
    »Und hat er nach Roman gefragt?«, wollte Billi

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