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Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Titel: Verwechseljahre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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kommen ja mehrere Kandidaten infrage.« Rainer knallte seinen Bierkrug auf den Tisch und wischte sich über den Mund. »Ist doch so. Nicht?«
    Das verschlug mir endgültig die Sprache. Zum Glück kam in diesem Moment die Serviermaid mit unserem Bier. Ich riss es ihr förmlich aus der Hand. »Prost!«, sagte ich zu Viktor und setzte eine verschwörerische Miene auf. Am liebsten hätte ich ihm gemorst: Es ist nicht so, wie es aussieht!
    »Prost, Liebes«, sagte Rainer und knallte seinen Bierhumpen gegen den meinen. »Ich passe auf dich auf, mach dir da mal keine Sorgen!« Und an Viktor gewandt: »Das habe ich ihrer Mutter versprochen.«
    »Zum Wohl!«, sagte Viktor und zog die Augenbrauen hoch.
    »Stößchen«, kicherte Sonja aufgekratzt. »Wir werden nämlich gemeinsam Großeltern, und deshalb finde ich, wir sollten Du zueinander sagen.«
    »Wie, wer wird denn jetzt noch alles gemeinsam Großeltern? Carin, Schnuckelmaus?«
    Viktor zuckte unmerklich zusammen.
    »Vielleicht sollte ich Ihnen kurz erklären …«, hob ich an.
    Er hielt Rainer und mich für ein Paar. Ich musste das unbedingt richtigstellen. Ich musste dieses Missverständnis aufklären! Mich erfasste heftiger Schwindel, und am liebten hätte ich mich an Viktors breite Schulter sinken lassen. Normalerweise sank ich ja an Rainers. Ich konnte ja im Sekundentakt mal an die eine, mal an die andere Schulter sinken wie ein Metronom.
    »Es ist nicht so, wie Sie vielleicht denken …« Ich sandte Sonja Hilfe suchende Blicke. Sie war doch sonst nicht um einen Spruch verlegen! Aber sie starrte Rainer nur fassungslos an.
    »Na, immerhin seid ihr beide noch per Sie.« Rainer mampfte weiter seinen Schweinebraten. »Dann sind Sie also der Adoptivvater.« Er kaute und schluckte seinen Bissen hinunter. »Und nicht der Schweinepriester.«
    Mir blieb das Herz stehen. Rainer benahm sich wieder mal unmöglich!
    »Ich kann Ihnen nur versichern, dass meine Carin, seit Sie und Ihr – Sohn …«, an dieser Stelle malte er mit Messer und Gabel Anführungszeichen in die Luft, »… hier in unserer schönen bayrischen Idylle aufgetaucht sind, total durch den Wind ist.«
    »Ich bin nicht deine Carin!«, murmelte ich in meinen Bierkrug hinein.
    »Am besten, Sie nehmen Ihren Sohn wieder mit nach Hamburg.«
    »Er ist erwachsen«, sagte Viktor förmlich. »Leider kann ich ihm nicht mehr vorschreiben, was er zu tun hat.«
    »Wie auch immer. Wir leben seit Jahren einträchtig zusammen in einem Haus«, meldete Rainer seine älteren Rechte an, »und pflegen gemeinsam Carins Mutter. Auf weitere Familienmitglieder sind wir eigentlich nicht eingestellt.«
    »Aber Rainer …« Sonja schaute irritiert von einem zum anderen. »Ich dachte, du …«
    »Carin arbeitet hart für ihren Lebensunterhalt. Wir haben Zukunftspläne.«
    »Also, Rainer, wirklich …« Ich warf Viktor verzweifelte Blicke zu.
    »Das verstehe ich jetzt nicht!«, sagte Sonja mit bebender Stimme. »Und die ganzen Gedichte?«
    »Ja eben!«, sagte Rainer mit Nachdruck. »Die beweisen ja wohl meine Einstellung zu der ganzen Sache.« Er sah mich eindringlich an. Seine Augen wurden schmal: »Aber vielleicht macht Liebe ja blind …?«
    »Ja, das macht sie wohl«, flüsterte ich. Nervös rutschte ich auf meiner Bank hin und her. Mir schnürte sich die Kehle zu. Es war alles meine Schuld. Alles.
    Ich hatte Rainer benutzt, Sonja getäuscht, und was sich Viktor meinetwegen alles anhören musste, ging sowieso auf keine Kuhhaut. Jetzt!, dachte ich. Jetzt muss ich endlich Farbe bekennen. Ich räusperte mich und straffte die Schultern. Meine Stimmbänder waren wie gelähmt. Jetzt musste ich endlich sagen, dass ich Rainers Gedichte Sonja zugespielt hatte. Um sie ruhigzustellen und Rainer von der Backe zu haben, um … selbst keine Entscheidung treffen zu müssen.
    Aber das würde ein ungutes Licht auf mich werfen, und Viktor würde zu hören bekommen, dass ich genauso raffiniert log wie mein Sohn. Ich benutzte die Menschen und spielte sie gegeneinander aus. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Viktor würde wahnsinnig enttäuscht von mir sein. Unser soeben ge knüpftes Band des Vertrauens würde gleich wieder zerstört sein. Ich würde Sonja verlieren. Und Vivian. Und damit auch unser gemeinsames Enkelkind. Rainer würde mich hassen. Ich hätte niemanden mehr für meine Mutter. Das wäre die Oberkatastrophe. Nein, ich musste den Mund halten.
    Aber wenn ich weiterhin schwieg, würde Rainer nie kapieren, dass ich ihn nicht liebte! Und vor allem

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