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Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Titel: Verwechseljahre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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würde er hier weiter den Platzhirsch spielen! Bis jetzt hatte ich das duldend in Kauf genommen, aber seit Viktor da war, standen mir sämtliche Haare zu Berge: Ich wollte mir das einfach nicht mehr gefallen lassen!
    Ich holte tief Luft, um endlich reinen Tisch zu machen, als die Kellnerin dazwischenplatzte und ihrerseits reinen Tisch machte. Sie wischte mit einem Lappen Rainers Kleckereien weg und nahm die leeren Teller und Gläser mit. Währenddessen fragte sie forsch, ob wir schon einen Blick in die Speisekarte geworfen hätten.
    Mein Hals war wie zugeschnürt. Ich konnte unmöglich etwas essen. Ich schielte vorsichtig zu Viktor hinüber, der vorgab, in die Speisekarte zu schauen.
    »Ich muss euch allen etwas beichten …«, hob ich an. Mein Herz raste.
    In diesem Moment klingelte mein Handy. Fast schon erleichtert zog ich es aus der Handtasche. Mein Blick aufs Display ließ mich Böses ahnen. Es war Billi.

24
    B illi sagte, dass es Mutter auf einmal sehr schlecht gehe. Sie be komme kaum noch Luft und rufe schon halb im Delirium ständig nach mir. »In meiner Not habe ich Rudi benachrichtigt, er ist hier und meint, ihr Zustand sei kritisch!«
    Deshalb war unser Aufbruch mehr als hektisch.
    »O Gott, was soll ich denn jetzt …« Ich drehte mich verzweifelt im Kreis. Mein Blick fiel auf Viktor, dessen Gesichtsausdruck vollkommene Ratlosigkeit ausdrückte.
    Rainer ergriff wie immer sofort die Initiative und sprang tatendurstig auf. »Sonja, den Autoschlüssel!«
    Sie warf ihm den Porscheschlüssel zu.
    Rainer nahm meinen Arm und zog mich zu Sonjas Zweisitzer. Dort passten wir beim besten Willen nicht zu viert hinein.
    Und so blieb Sonja mit Viktor im Lokal zurück, während Rainer und ich nach Hause rasten.
    Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Rainer kam mit dem Porsche gar nicht zurecht, mit knirschenden Reifen fuhr er erst in die Büsche und dann rückwärts gegen die Mülltonne, bis der Porsche endlich schlingernd die richtige Richtung einschlug. Mit Herzrasen krallte ich mich an den Beifahrersitz. Wie anders doch die Fahrt mit Viktor gewesen war! Wie souverän er seinen Oldtimer gelenkt hatte! Aber ich durfte solche Gedanken gar nicht erst aufkommen lassen. Es ging schließlich um Mutter.
    »Schnuckelmaus, ich bin bei dir!« Seine Hand suchte schon wieder nach meiner. »Wir schaffen das!«
    Da ich mich geistesgegenwärtig auf beide Hände gesetzt hatte, landete seine suchende Hand in meinem Nacken. Ich versteifte mich.
    »Magst du das nicht? Ist dir das unangenehm?«
    Oh, wie ich diese Magstu-Fragen hasste! Magstudas oder Magstudasnich. Ein wahrer Mann weiß so was! Die Magstudas- und Wie-war-ich-Frager gehörten verboten!
    »Ja!«, entfuhr es mir. »Meine Mutter liegt im Sterben, und da habe ich andere Sorgen!«
    »Kratzbürste.«
    »Nimm BEIDE Hände ans Steuer! Vorsicht! Ein Zebrastreifen!«
    Rainer schwieg beleidigt. Zum Glück war er so damit beschäftigt, den Porsche zu bändigen, dass er keine Reserven mehr übrig hatte, Selbiges mit mir zu versuchen. Mit quietschenden Bremsen brachte Rainer den Porsche in unserer kleinen Einfahrt zum Stehen.
    Billi öffnete uns blass die Tür. »Ich glaube, es geht zu Ende …«
    »O Gott, nein! Doch nicht ausgerechnet jetzt! Mutter!« Mir wurde ganz schwindelig.
    Rudi kam aus ihrem Zimmer und schüttelte nur bedauernd den Kopf. »Ich hab ihr ein Schmerzmittel gegeben. Sie hat noch was auf dem Herzen. Gut, dass du kommst.« Er wies mit dem Kopf zur Tür und schaffte es irgendwie, Rainer daran zu hindern, hinterherzustürmen. »Lass die beiden mal einen Moment allein!«
    Mutter lag röchelnd im Bett, ihre mageren weißen Hände tasteten nach mir. Ich ergriff sie und sank auf die Bettkante.
    »Mutter! Wir sind ja da!« Jetzt ertappte ich mich schon selbst dabei, dass ich »wir« sagte!
    »Kind, sag mir nur eines …« Ihr Atem ging rasselnd, sie rang nach Luft.
    »Ja, Mutter. Ich höre.« Ich legte mein Ohr an ihre Lippen.
    »Rainer hat mir gesagt, dass er dich heute …«
    »Ja, Mutter? Wir haben uns getroffen.«
    »Rote Rosen …«
    »Ja. Die hatte er dabei. Sie sind wunderschön.« Ich drückte ihre Hand und wollte um keinen Preis anfangen zu weinen.
    »Kind, was ich noch wissen muss …«
    »Ja, Mutter …?«
    »Bist du verliebt?«
    »In Rainer?«, fragte ich entsetzt. Ich konnte doch nicht lügen! Man darf doch am Sterbebett der eigenen Mutter nicht lügen!
    »Sag, Kind, hast du Gefühle?« Sie legte ihre Finger auf mein Herz. »Hier drin? Wenigstens ein paar

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