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Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Titel: Verwechseljahre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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hatte zum Glück noch eine neue Zahnbürste. Es war ein merkwürdiges Gefühl. Zum ersten Mal schlief mein Sohn bei mir! Dort, wo sonst immer Mutters Nachttischlämpchen durch den Türspalt geschienen hatte, herrschten jetzt Schwärze und Stille.
    Als Rainer später mit seinem Schlüssel Einlass begehrte, schlich ich zur Tür, öffnete sie einen Spaltweit und flüsterte: »Danke, dass du mir den Schlüssel zurückgeben willst! Den braucht jetzt Roman.« Ich streckte die Hand durch den Spalt.
    »Den Schlüssel zurückgeben? Ähm, nein, also … Ich wollte nur … Wieso flüsterst du?«
    »Roman schläft schon!«, raunte ich.
    »Er WOHNT bei dir?« Rainer versuchte schon einen Schritt über die Schwelle zu machen, aber die Kette hinderte ihn daran. »Wieso legst du die Kette vor?«
    »Was dagegen?«
    »Also eigentlich nicht, aber er – ähm – macht dir auch keinen Ärger?«
    »Nein«, beruhigte ich Rainer. »Er ist extra zur Beerdigung angereist, und jetzt ist er müde!«
    »Soll ich nicht doch …«
    »Nein! Danke! Schlaf schön!«
    »Aber es ist sicher besser, wenn ich …«
    »Rainer! DANKE! «
    Ich schloss die Tür so hastig, dass ich vergaß, den Schlüssel einzufordern. Mit einem Ohr lauschte ich daran: Nach einem fassungslosen Schnauben schob Rainer mir einen Zettel durch den Türspalt und entfernte sich zwei Schritte. Ich tat ihm nicht den Gefallen, sein Gedicht sofort zu lesen, die Tür aufzureißen und ihm um den Hals zu fallen. Irgendwann fiel seine Wohnungstür ins Schloss.
    Sein neuestes Werk lautete:
    Seitensprung
    Fortsetzung
    der Kommunikation
    mit
    anderen
    Mitteln
    Er hatte es also geschnallt. Ich fragte mich nur, welchen Seitensprung er meinte. Seinen mit Sonja? Oder meinen mit Viktor?

26
    A m nächsten Tag waren wir schon um fünf Uhr früh auf den Beinen. Wie Diebe schlichen wir uns aus dem Haus, fuh ren mit dem Wagen zum Münchner Flughafen und nahmen die Morgenmaschine nach Faro. Dort wurden wir abgeholt und mit anderen fröhlichen Robinson-Club-Gästen in einem Kleinbus zum Golfrevier gefahren. Drei gut gelaunte, miteinander befreundete Ehepaare redeten nur von ihrem Handicap, also schwieg ich lieber.
    Gegen Mittag kamen wir in der weitläufigen Anlage an. Sie bestand aus mehreren Bungalows und zweistöckigen Reihen häusern mit Vorgarten, genau wie in Butterblum. Nur dass diese hier von Golfplätzen umgeben waren und keine Kleinkinder herumsprangen. Hier wurde Freizeit absolviert.
    Roman hatte einen Bungalow mit zwei Schlafzimmern gebucht, das sollte uns den nötigen Freiraum geben. Ein Doppelzimmer wäre indiskutabel gewesen. Unser Bungalow lag nahe am Meer. Ich trat auf unsere Dachterrasse hinaus und sog die klare, kühle Luft ein. Meterhohe Wellen brandeten gegen die Klippen, und Gischt spritzte zu uns herauf. Es duftete würzig nach Meer und Tang, und der Himmel war fast unwirklich dunkelblau. Eine blasse Mondsichel stand schon jetzt am Horizont.
    Mutter hatte mir als Kind erklärt, wie man den zunehmenden vom abnehmenden Mond unterscheiden kann: »Kann man rechts ansetzen und ein ›A‹ daraus schreiben, ist er abnehmend. Kann man links ansetzen und ein ›Z‹ daraus schreiben, ist er zunehmend.« Allerdings galt das nur für das altdeutsche »Z«, mit dem modernen funktionierte das nicht mehr. Seufzend rieb ich mir die Arme. Das und so vieles mehr hatte ich Roman nie erklären können! Ob die Reedersgattin das getan hatte?
    Ach, Mutter! Bist du jetzt da oben?, dachte ich. Schickst du uns deine guten Energien?
    Ich ging zum Auspacken in den Bungalow zurück.
    Roman war schon an der Rezeption, um seine Golftermine festzulegen. Die Platzgebühr kostete extra. Wie er mir auf der Hinfahrt erklärt hatte, musste er unbedingt in die passenden Flights kommen, also in Gruppen mit Spielern, die ungefähr sein Niveau hatten. Und das war sehr gut.
    »Es wäre scheiße, mit Leuten spielen zu müssen, die Handicap zwanzig oder mehr haben«, hatte er mir erläutert. »Mit diesen drei Ehepaaren zum Beispiel. Dann stehe ich bloß rum und muss denen beim Hacken zusehen.«
    Roman hatte Handicap zwei. Das war anscheinend sehr gut. Alle machten »aah« und »ooh«, als sie das hörten, und Roman sonnte sich in der allgemeinen Bewunderung. Da ich keine Ahnung von Golf hatte, konnte ich nur nicken und ihm versichern, dass ich alles dafür tun werde, dass er in dieser Woche sportlich auf seine Kosten kam. »Hauptsache, wir haben auch noch ein bisschen Zeit füreinander«, sagte ich zuversichtlich.
    »Ach

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