Verwechseljahre: Roman (German Edition)
klar, Carin, das wird sich schon ergeben. Außerdem ist so ein Robinson-Club ja bekannt für seine lockere Atmosphäre. Du wirst hier sicherlich schnell Anschluss finden.«
Das hatte fast ein bisschen gönnerhaft geklungen, aber er meinte es bestimmt nicht so. Für ihn war es ja auch eine merkwürdige Situation, mit einer fast Fremden Urlaub zu machen. Da durfte man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen.
Irgendwie beschlich mich der Gedanke, dass Roman hier mit Sonja oder Billi mehr Spaß gehabt hätte: Sonja hätte sofort begeistert den Golfschläger geschwungen, natürlich im perfekten Sportdress. Und Billi hätte mit ihrer mütterlichen Art auch bessere Karten gehabt. Ich war nur dritte Wahl, aber fest entschlossen, mich zur ersten Wahl hochzuarbeiten. ICH war schließlich seine Mutter! Während ich meine Garderobe sorgfältig in meiner Schrankhälfte verstaute, nahm ich mir ganz fest vor, diesen Urlaub zu einem Erfolg werden zu lassen. Ich würde ihn weder mit Fragen noch mit Vorwürfen bombardieren, mich einfach nur dezent als Gesprächspartnerin und Freundin anbieten, unaufdringlich Interesse an seinen Vorlieben und Hobbys zeigen und mir so einen Platz in seinem Herzen sichern. Dies war unsere Woche.
Nach dem Auspacken machte ich mich voller guter Vorsätze auf die Suche nach Roman. Aber nicht ohne meine Ausweise und Kreditkarten vorher ganz weit hinten in meiner Nachttischschublade zu verstecken. Wer einmal Taschendieben zum Opfer gefallen ist, weiß, wie mühsam es ist, diese Dinge neu zu beantragen. Dementsprechend beruhigt schlenderte ich betont lässig zwischen den Bungalows umher. Bei meinem ersten Rund gang überzeugte ich mich davon, dass es hier nirgendwo Spielautomaten gab. Auch kein clubeigenes Casino oder so. Die Luft war rein. Alle Gäste, die mir entgegenkamen, trugen karierte Hosen und Poloshirts. Es schien sich um einen Menschenschlag zu handeln, der nie, aber auch wirklich nie bei mir in der Biblio thek erscheinen würde. Immer ging es ausschließlich ums Abschlagen und Einlochen, als gäbe es nichts anderes auf der Welt. Es fielen Begriffe wie »Birdie« und »Hole-in-one«, und ich fühlte mich ziemlich fehl am Platz. Wenn mich einer fragte: »Was haben Sie für ein Handicap?«, würde ich einfach antworten: »Oh, ich habe mehrere: meinen Sohn, meinen Nachbarn und meine alte Mutter, aber die ist gerade gestorben.« Daraufhin würde man mich nur verständnislos anstarren. Es war, als kämen wir von verschiedenen Planeten.
Aber ich war ja schließlich wegen Roman hier. Er hatte sich das hier gewünscht, und ein so anspruchsvoller junger Mann möchte nun mal nicht zum Wassertreten nach Bad Driburg oder zum Wandern ins Naturfreundehaus Lämmershagen. Bei seinen Adoptiveltern hatte er stets den höchsten Standard genossen, und ich wollte nicht knauserig sein.
Ich hatte mich inzwischen etwas nett gemacht, geschminkt und ein graues Strickkostüm angezogen, dazu schwarze Stiefel, falls Roman auf der Terrasse essen wollte. Auch an einen schicken altrosa Seidenschal hatte ich gedacht. Er sollte sich seiner Mutter nicht schämen müssen! Während ich so durch die Anlage schlenderte, ertappte ich mich sogar bei dem Gedanken, man könnte uns für ein Paar halten. Schließlich war ich nur siebzehn Jahre älter als er! Oh, wir würden einen richtig schicken Auftritt haben, wenn wir vom Kellner an unseren Zweiertisch geleitet würden. Der würde eine Kerze anzünden und uns ein erstes Glas Champagner anbieten. Anscheinend umspielte ein Lächeln meine Lippen, während ich mich in diesen Fantasien erging. Denn als ich das Restaurant beziehungsweise die davorliegende Lounge betrat, lächelten einige wettergegerbte Herren in Golfkleidung zurück. Aber ich war ja nicht zum Flirten hier. Suchend sah ich mich nach Roman um, und da stand er ja! An der Bar, umringt von fünf oder sechs Golfkameraden. Sie fachsimpelten und tranken Bier. Roman sah mit Abstand am besten aus. Groß, schlank, dunkelhaarig und durchtrainiert. Mein Sohn! Ein warmes Gefühl von Stolz und Mutterglück breitete sich in mir aus. So musste sich Billi immer fühlen, wenn sie mit ihrem Sohn verreiste!
Strahlend näherte ich mich. So. Trommelwirbel. Auftritt: Mutter und Sohn.
»Hallo Carin«, sagte Roman beiläufig. »Hast du schon einen Tisch?«
»Nein, ähm … Ich dachte, wir beide …«
»Also, hier ist alles ganz unkompliziert«, sagte ein rundlicher Kerl mit Strickpullover und Halstuch. »Setz dich doch einfach dazu.«
»Wir sind
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