Verwegene Herzen (German Edition)
versuchte, einen Anflug von Übelkeit zu vertreiben.
Mit feuchten Händen hielt sie die Zügel umklammert und konzentrierte sich darauf, das Gleichgewicht zu halten. Ihre missliche Lage hätte sie eigentlich davon abhalten sollen, ihre Flucht vor Will noch einmal zu durchdenken, doch das Gegenteil war der Fall. Ihre Gedanken erschwerten ihre Aufgabe nur noch zusätzlich. Sie musste sitzen bleiben, den Kopf aufrecht halten und darauf vertrauen, dass ihre Entscheidung richtig gewesen war.
Aber als das Pferd wieder festen Boden betrat, verschwand ihre Selbstsicherheit. Sie fühlte sich unbehaglich und verletzbar. Während sie in die unbekannte Dunkelheit zurückkehrte, schien die Welt um sie herum ihr den Atem zu rauben. Sie wusste ebenso wenig, was sie da tat, wie sie die Farbe der Blätter um sich herum sehen konnte. Bestenfalls konnte sie Vermutungen anstellen und auf ein glückliches Ende hoffen.
Als sie sich mit Dryden verbündete, hatte sie gehofft, dass die Zweifel verschwinden und sie mehr Sicherheit empfinden würde. Doch ihre Ängste wurden nur noch schlimmer. Auch wenn er ein Edelmann war, erregte seine mangelnde Zuversicht ihre Besorgnis.
„Müsst Ihr einen Moment lang anhalten?“
Drydens höfliche Frage rettete sie vor ihrer nicht enden wollenden Unsicherheit. Wenn er spürte, wie wenig zuversichtlich sie selbst war, würde er vielleicht nicht mehr bereit sein, ihr zu helfen.
Sie hielt den Schleier fest, damit der Wind ihn nicht fortriss. „Was habt Ihr gesagt?“
„Ich wollte wissen, ob Ihr eine Pause machen wollt“, wiederholte er und zügelte die Pferde. „Vielleicht, um Euch auszuruhen? Ihr wirkt erschöpft.“
„Nein, es geht mir gut.“
Die Zeit schritt langsamer voran als das Pferd und quälte Meg mit den Einzelheiten eines Albtraums, den sie selbst erschaffen hatte. Die Aufregung ließ ihr Herz schneller schlagen; dieselbe Wirkung hätte auch Will mit seinem sarkastischen Tonfall erzielt. Diese Stimme, die ihr ein böser Trick ihres Verstandes vorgaukelte, plagte sie. Immer wieder musste sie an das denken, was sie sich nicht eingestehen wollte: Sie hatte den Mann im Stich gelassen, der ihr das Leben gerettet hatte.
Und das nicht nur ein Mal.
Gefährliche Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Sie leckte sich über die Lippen, erwartete beinahe den Geschmack von Zucker, erwartete, ihn zu schmecken und seine süße Zunge.
Zwei Mal holte sie tief Luft, dann waren die Gedanken an den Fluss verscheucht. Sie richtete sich auf. Es war eine vernünftige Entscheidung gewesen, mit Dryden zu reisen. Sie würde nach Ada suchen und mit ihr in die Hütte zurückkehren, in die Sicherheit. Denn trotz seiner Galanterie, trotz der vielen Male, in denen er sich vor sie gestellt und sie vor Gefahr geschützt hatte, bedrohte Will Scarlet ihr Herz mit einer scharfen Klinge.
Dann hörte sie Stimmen, Worte auf Englisch und auf Französisch. Verschiedene Akzente und Tonlagen übertönten das Rauschen des Wassers, zeichneten sich einzeln ab, ehe sie wieder leiser wurden und in dem allgemeinen Gemurmel verschwanden. Frauenstimmen, hell wie Lerchen, Männerstimmen, tief wie das Brüllen eines Stieres, sie alle vermengten sich zu einem harmonischen Klanggebilde.
Menschen. Überall, auf dem Wasser und an Land – überall Menschen.
Dryden ließ die Pferde langsamer gehen. „Willkommen in Nottingham.“
„Sind wir auf dem Markt?“
„Nein, der Markt ist innerhalb der Tore. Wir warten hier auf Einlass.“
Meg zuckte zusammen, als fremde Leiber, die sie nicht sehen konnte, sich gegen ihre Füße und Waden drängten. Ihr Pferd scheute, wich zur Seite aus und steigerte noch ihre Angst. Dryden hielt seine Pferde fester und führte sie langsam durch die Menge.
„Halt!“
Sie erstarrte. Beim Klang der tiefen Männerstimme richteten sich die Härchen auf ihren Unterarmen auf.
„Lasst uns passieren.“ Drydens Befehl klang kühl, und obwohl sie froh darüber war, schien es nicht zu ihm zu passen. „Ich bin Gregory Dryden, Erbe des Earl of Whitstowe, und ich habe etwas mit dem Sheriff zu besprechen.“
Meg hatte sich dem Edelmann angeschlossen, weil er Einfluss besaß, und gleich würde sie erfahren, ob er Zutritt zum Schloss erhalten würde. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, während sie wartete.
„Verzeiht mir, Milord. Bitte setzt Euren Weg fort.“
Die tiefe Stimme schrie hinter ihnen weitere Befehle, kontrollierte die Menge und gab Anweisungen. Sie ritten durch das Tor. Das Gedränge ließ nach, aber
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