Verwesung
lange seine Fahrt hierher gedauert hatte. Er war blass, hatte dunkle Ringe unter den Augen und war unrasiert, und selbst der Minzgeruch seines Kaugummis konnte seine Alkoholfahne nicht überdecken.
«Wird langsam zur Gewohnheit, was?», meinte er.
Ich trat widerwillig zurück, um ihn reinzulassen. «Gibt es Neuigkeiten über Sophie?»
«Nee. Keine Veränderung.»
«Und warum bist du dann hier? Es ist ein weiter Weg von Dartmoor.»
«Bilde dir nichts ein, ich bin nicht nur deinetwegen gekommen. Ich muss hier ein paar Leute treffen.»
Unaufgefordert ging er ins Wohnzimmer. Meine Taschestand neben dem Couchtisch, auf dem noch die Aufzeichnungen über die Monk-Ermittlung lagen. Terry nahm das oberste Blatt.
«Hast du Hausaufgaben gemacht?»
«Ich bin nur ein paar Notizen durchgegangen.» Ich nahm ihm das Blatt weg, steckte es in den Hefter und schlug ihn zu. «Was kann ich für dich tun?»
«Gibt es heute keinen Kaffee?»
«Ich bin auf dem Sprung.»
Er warf einen Blick auf die Tasche. «Das sehe ich. Urlaub?»
«Sag mir einfach, was du willst, Terry.»
«Ich möchte zum Beispiel, dass du mir erzählst, was gestern passiert ist.»
Das war ich in der vergangenen Nacht unzählige Male mit der Polizei durchgegangen, aber ich wusste, dass es keinen Sinn machte, mich zu weigern. Also erzählte ich alles noch einmal, von Sophies Anruf bis dahin, wie ich sie bewusstlos im Badezimmer auf dem Boden gefunden hatte. Als ich fertig war, starrte Terry mich noch eine Weile schweigend an. Ein alter Polizistentrick, den ich allerdings schon zu oft gesehen hatte, um darauf hereinzufallen. Ich starrte einfach zurück und wartete.
«Hast du mir nicht gesagt, du hättest keinen Kontakt mehr zu Sophie Keller?», meinte er schließlich.
«Hatte ich auch nicht.»
«Und jetzt soll ich glauben, dass sie dich einfach so aus heiterem Himmel angerufen hat? Nach acht Jahren?»
«So war es.» Er starrte mich ungerührt und kaugummikauend an. Ich seufzte verärgert. «Pass auf, ich habe keine Ahnung, in welchen Schwierigkeiten sie steckt oder warumsie mich angerufen hat. Wenn ich mehr wüsste, würde ich es dir sagen. Hast du mit den Leuten aus dem Dorf gesprochen? Oder mit Freunden? Vielleicht weiß jemand, warum sie überfallen wurde.»
«Willst du mir erzählen, wie man eine Ermittlung leitet?»
Ich versuchte ruhig zu bleiben. «Nein, aber es ist doch ein komischer Zufall, dass die Sache kurz nach Jerome Monks Flucht passiert ist. Ich glaube nicht, dass er derjenige war, der sie überfallen hat, aber es muss irgendeine Verbindung geben.»
Terry hörte auf zu kauen. «Wieso glaubst du, dass er es nicht war?»
«Was sollte er gegen Sophie haben? Sie war die Einzige, die versucht hat, ihm zu helfen. Und woher sollte er wissen, wo sie wohnt?»
«Glaubst du etwa, so was kann man im Gefängnis nicht rauskriegen? Werd erwachsen. Und wenn du nach einem Grund suchst, sie war wahrscheinlich die letzte Frau, die er gesehen hat. Er konnte jahrelang in seiner Zelle liegen und sich ausmalen, was er mit ihr anstellen möchte.»
Mir fiel sofort eine Frage ein, die ich eigentlich nicht stellen wollte. Doch Terry hatte sie herausgefordert. «Ist sie vergewaltigt worden?»
«Nein.» Terrys Augen waren kalt.
Da war ich heilfroh. «Dann scheint es nicht Monk gewesen zu sein, oder? Außerdem hat er seine Opfer normalerweise nicht am Leben gelassen.»
«Vielleicht ist er gestört und verscheucht worden.»
«Monk?» Das war so abwegig, dass ich fast gelacht hätte. «Von wem denn?»
«Na schön, wenn es er nicht gewesen ist, dann würde ich gerne wissen, was du bei Sophie verloren hattest.»
«Das habe ich dir bereits erzählt.»
«Ach, großartig! Eine Frau, die du seit einer Ewigkeit nicht gesehen hast, ruft dich an und bittet dich um Hilfe, und du springst sofort in deinen Wagen und fährst dreihundert Kilometer, zum
Mittagessen
. Und als sie nicht auftaucht, findest du heraus, wo sie wohnt, spazierst in ihr Haus und findest sie bewusstlos vor!»
«So ist es gewesen.»
«Das behauptest du. Aber wie wäre es damit: Du fährst zu ihr und brichst ein. Sie ist nackt unter ihrem Bademantel, du hast dich nicht mehr im Griff. Zack! Dann gerätst du in Panik und meldest den Vorfall, als hättest du sie gerade gefunden.»
Ich starrte ihn entgeistert an. «Das ist doch lächerlich.»
«Wirklich? Ihr beide wart doch schon bei der Suchaktion wie zwei Turteltäubchen. Ich habe mich immer gefragt, ob zwischen euch was war.»
Ich merkte, dass ich
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