Verwesung
mit ihr aufzunehmen. Meiner Meinung nach rechtfertigt das diese Maßnahme.»
«Ich beschwere mich nicht. Ich bin nur überrascht, dass Simms zugestimmt hat.»
Es entstand eine Pause. «Wie gesagt, ich bin der Ermittlungsleiter. Der stellvertretende Polizeichef ist zu beschäftigt, um sich um jedes Detail zu kümmern.»
Mit anderen Worten, Naysmith hatte die Entscheidung getroffen, nicht Simms. Spannungen zwischen dem Ermittlungsleiter und seinem unmittelbaren Vorgesetzten gab es im Grunde bei jeder Ermittlung, aber ich hoffte, dass sie die Arbeit nicht behindern würden.
«Ich habe Ihnen zwei gute Beamte geschickt», fuhr Naysmith fort. «Sie haben den Befehl, keine Risiken einzugehen. Was immer die beiden Ihnen sagen, tun Sie es. Keine Diskussionen, keine Widerrede. Verstanden?»
Ich bejahte.
Auch wenn Monk während des Essens mit keinem Wort erwähnt wurde und trotz Millers Bemühungen, war der entflohene Häftling wie ein ungebetener Gast anwesend. Die Polizisten hatten das gesamte Haus überprüft und alle Vorhänge zugezogen, damit niemand von draußen hereinschauen konnte. Mir war außerdem aufgefallen, wie sie geschickt die Platzierung am Tisch so eingefädelt hatten, dass beide Sophie flankierten. Miller saß direkt an der Tür und Steph Cross zwischen ihr und dem Fenster.
Erst nach dem Essen, als wir das leere Geschirr in die Spüle gestellt hatten, wurde schließlich der Grund für ihre Anwesenheit thematisiert.
Sophie griff nach der Weinflasche. Ich schüttelte den Kopf, als sie mein Glas nachfüllen wollte, und sie schenkte sich den Rest ein. Dann stellte sie die Flasche mit einem Knall auf den Tisch. «Und wie lange machen Sie beide das schon?», fragte sie und nahm einen Schluck.
«Zu lange», sagte Miller. Cross lächelte nur.
«Arbeiten Sie immer als Team zusammen?»
«Nicht immer. Kommt auf den Auftrag an.»
«Aha.» Als Sophie ihr Glas absetzte, wirkte sie plötzlich angetrunken. Ich hatte nicht darauf geachtet, aber sie hatte offenbar schon mehr Wein getrunken, als ich dachte. «Und sind Sie beide … äh, Sie wissen schon … ein Paar?»
Miller war ausnahmsweise einmal sprachlos, und Steph Cross antwortete. «Wir arbeiten nur zusammen.»
«Ach so. Nur Kollegen.» Sophie deutete auf die Waffen in ihren Gürtelhalftern. «Fühlen Sie sich wohl damit?»
Miller hatte seine Gelassenheit wiedergefunden, er war jedoch leicht errötet. «Man gewöhnt sich dran.»
«Kann ich sie mir mal anschauen?»
«Lieber nicht.» Er hatte es leichthin gesagt, doch man merkte, dass es ihm nicht gefiel. Steph Cross betrachtete Sophie mit ihrer Zen-artigen Ruhe, ihre blauen Augen waren undurchschaubar. Doch die Atmosphäre am Tisch hatte sich plötzlich verändert. Sophie schien das nicht zu spüren. «Ha ben Sie Ihre Waffe schon einmal benutzt?»
«Na ja, wir sollten schon wissen, aus welchem Ende die Kugeln kommen.»
«Aber haben Sie schon mal jemanden erschossen?»
«Sophie …», begann ich.
«Das ist doch eine berechtigte Frage.» Sie verhaspelte sich bei
berechtigte
. «Wenn Monk jetzt hier reinspaziert, wären Sie in der Lage, ihn umzubringen?»
Miller wechselte einen kurzen Blick mit Cross. «Hoffen wir, dass es nicht so weit kommt.»
«Ja, aber wenn er …»
«Möchte jemand Kaffee?», fragte ich.
Miller ergriff die Gelegenheit. «Klingt gut. Ich könnte einen vertragen.»
Sophie blinzelte unsicher. «Kaffee? Ach, ja … tut mir leid.»
«Ich mache welchen», bot ich an.
«Nein, schon in Ordnung.» Sie stand auf, kam aber sofort ins Schwanken und musste sich am Tisch festhalten. «Hui …»
Ich hielt sie fest. «Alles okay?»
Sie war blass, doch tapfer versuchte sie ein Lächeln, als sie die Schultern straffte. «Gott … was war denn in dem Wein?»
«Warum gehst du nicht ins Bett?», meinte ich.
«Ja … ist vielleicht besser.»
Ich brachte sie nach oben. «Wie fühlst du dich?», fragte ich, als wir das Schlafzimmer erreichten.
«Nur ein bisschen schwummrig.» Sie lächelte. Sie war immer noch blass, aber es schien ihr besserzugehen. «Ich bin selbst schuld. Ich habe den ganzen Tag kaum was gegessen und jetzt der ganze Wein.»
Wahrscheinlich lag es nicht nur am Wein, sondern auch an ihrer Anspannung. Was sie durchgemacht hatte, hätte jeden belastet, außerdem erholte sie sich noch von der Gehirnerschütterung.
«Ist wirklich alles in Ordnung?»
«Ja. Geh ruhig wieder runter.» Sie lächelte müde. «Ich bin eine furchtbare Gastgeberin.»
In der
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