Verwuenscht und zugenaeht
letzten sechs Jahre schlafend verbracht. Ich will Abenteuer erleben.«
Na groÃartig. Als Nächstes soll ich sie vielleicht noch mit auf eine Entdeckungsreise nehmen. Zumindest wird sie sich nicht so leicht wieder in den Schrank verbannen lassen.
Ich verschränke die Arme über der Decke und mache ein finsteres Gesicht. »Du müsstest eigentlich in Mexico sein. Und das Pony auch.«
»Dieses Pony?« Ann zeigt aus dem Fenster.
Ich halte den Atem an und schaue nach drauÃen. Bitte lass das nicht wahr sein! Seit unserer Rückkehr von der Rennstrecke habe ich es nicht mehr gesehen. Ich hatte mir eingeredet, dass meine Strategie â das Tor offen stehen zu lassen, damit es abhaut â längst aufgegangen ist.
Ich habe mich geirrt. Das Pony steht seelenruhig in unserem Garten und knabbert am Gebüsch. Und jetzt? Soll ich mich an eine Tierschutzorganisation wenden? Kümmern die sich überhaupt um Ponys? Und wie sieht es mit rosa Ponys aus?
In diesem Moment höre ich die Waschmaschine anspringen.
Mum ist zu Hause. Und das Pony. Nicht gut.
»Du musst es verstecken!«, sage ich hastig, springe aus dem Bett und renne zur Tür. »Du kletterst aus dem Fenster und bringst das Pony in den Schuppen, okay? Ich lenke Mum ab. Dann kommst du zurück und wartest hier auf mich.«
Ich bin schon fast zur Tür hinaus, als ich über etwas stolpere, der Länge nach hinfalle und mir das Kinn aufschürfe.
Eine Kaugummikugel prallt von der Wand ab.
Diese blöden Dinger! Ich werde â¦
Denk an das Pony, ermahne ich mich. Das hat jetzt Vorrang. Ich rapple mich auf und drehe mich noch einmal zu Ann um. Sie hat schon ein Bein über das Fensterbrett geschwungen, mit dem anderen steht sie noch im Zimmer. »Und komm danach sofort wieder rein«, warne ich noch mal. »Sie darf dich natürlich auch nicht sehen, sonst bin ich geliefert.«
Ich renne den Flur entlang und die Treppe hinunter. Mum ist noch in der Waschküche. Dort gibt es zum Glück kein Fenster, aber sie wird wahrscheinlich jeden Moment in die Küche gehen und sich einen Kaffee holen. Wenn sie dabei zufällig in den Garten schaut, wird sie ihr blaues oder besser gesagt rosa Wunder erleben.
Ich könnte ihr zwar vorgaukeln, ich hätte nichts mit dem Pony zu tun, aber solange ich nichts gegen die Wünsche unternehmen kann, werden weitere verrückte Dinge geschehen und Mum wird irgendwann dahinterkommen, dass sie alle einen gemeinsamen Nenner haben: mich.
Gerade als sie aus der Waschküche kommt, rutsche ich auf meinen Strümpfen um die Ecke. »Mum! Gut, dass ich dich treffe«, sage ich. Ich baue mich so vor ihr auf, dass sie mit dem Rücken zum Fenster stehen bleiben muss, um mit mir zu reden.
»Guten Morgen«, sagt sie mit einer hochgezogenen Augenbraue. Sie ahnt bereits, dass irgendetwas nicht stimmt. Wann hetzt ein sechzehnjähriges Mädchen auch schon in die Küche, um mit ihrer Mum zu reden?
»Was ist mit deinem Kinn passiert?«, fragt sie.
»Hä? Oh, nichts.« Die Stelle brennt plötzlich wie ein scharlachroter Buchstabe.
Ich muss lässig bleiben. Ich lehne mich an den Küchentresen. »Ãh, also, ich habe darüber nachgedacht, ob ich â¦Â« Ich breche mitten im Satz ab. Was? Softball spielen sollte? Das würde sie mir nicht abkaufen. In der Theatergruppe mitmachen will? Wahrscheinlich auch nicht. »Vorsitzende des Debattierclubs werden sollte.«
Na groÃartig, das klingt genauso bescheuert.
Mein Blick huscht über die Schulter meiner Mutter. Raggedy Ann rennt gerade auf das Pony zu. Das kleine Tier dreht sich um und trabt über den Rasen davon. Bevor es aus meinem Blickfeld verschwindet, stöÃt es ein schrilles Wiehern aus und ich beginne hastig zu husten, damit Mum es nicht hört.
Sie verengt die Augen und sieht mich misstrauisch an. »Musst du nicht Mitglied im Debattierclub sein, um Vorsitzende zu werden?«
»Oh, äh, ja, ich hab mich wohl nicht richtig ausgedrückt. Ich meinte, ich will das Debattieren erst mal ausprobieren. Die Vorsitzende ⦠leitet die Proberunden.«
Irgendwie reite ich mich immer tiefer rein.
»Aha. Ich hatte keine Ahnung, dass du dich fürs Debattieren interessierst«, sagt sie. Ich glaube nicht, dass sie mir das abkauft. Aber sie hat wenigstens noch nicht mitbekommen, was wirklich los ist, und das ist die Hauptsache.
»Ja, ich â¦Â«
Das
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