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Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)

Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)

Titel: Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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gesagt winzig gewesen. Häufig stellte eine einzige Person die ganze Behörde dar, und dies in mehr als einer Hinsicht. Da war es nämlich üblich, dass Menschen ihr Amt handhabten, als sei es ihr ganz persönliches Eigentum, was naturgemäß dazu führte, dass Schlamperei, Missbrauch und Korruption ins Kraut schossen und die Effektivität erstickten. Die Korruption war keineswegs damit abgeschafft, dass immer mehr Tätigkeiten von besonders angestellten Karrierebürokraten übernommen wurden. Weiterhin waren nicht selten Bestechungen nötig, damit bestimmte Dinge zur Zufriedenheit erledigt wurden, und nach wie vor war es fast unmöglich, einen bestimmten Posten zu erlangen, wenn man nicht jemanden kannte, der jemanden kannte, der jemanden kannte. Aber verglichen mit dem alten System war die neue Bürokratie ein Traum von Schnelligkeit und Präzision.
    Und nur wenn man eine solche bürokratisch geordnete und zentralisierte Verwaltung hatte, war es möglich, mit Erfolg an den neuen Großkriegen teilzunehmen. Auch die schwedische Flotte war entsprechend diesen neuen Ideen umorganisiert worden. Diese Arbeit begann bereits vor Flemings Zeit. So war man beispielsweise dazu übergegangen, die Schiffe zu inspizieren, bevor sie in den Winterhafen gingen – um zu verhindern, dass die Kapitäne alles Mögliche von den Schiffen mit nach Hause nahmen, wenn die Saison vorüber war, was offenbar als ein inoffizieller Lohnvorteil angesehen wurde; die Offiziersgrade wurden geregelt, die Pflege der Kranken organisiert sowie die Mannschaften gemustert. Fleming ging aber noch weiter. Unter anderem heuerte er erfahrene Kapitäne und Zimmerleute aus Europas führender Schifffahrtsnation, den Niederlanden, an, kaufte gleichzeitig Schiffe im Ausland oder gab bei einheimischen Schiffsbauern neue in Auftrag, er gab der Flotte einen eigenen Standort auf Lustholmen in Stockholm – danach umbenannt in Nya Skeppsholmen –, legte große Seilerwerkstätten an und verbesserte den Lohn und die Ausbildung der Seeleute. (Letzteres war zweifellos vonnöten, denn die Leute hatten in der Regel keine richtige Ausbildung, was sich in zahlreichen Unglücksfällen und Missgeschicken zeigte, von denen die Havarie der
Vasa
1628 nur eins war.) Das neu eingerichtete Admiralitätskollegium erhielt auch eigene Räumlichkeiten; zuerst war es in einem Steinhaus mit Kupferdach auf Blasieholmen untergebracht, seit einigen Jahren saß es im ersten Stock am Westtor des königlichen Schlosses. Was Fleming darüber hinaus so typisch erscheinen lässt für seine Zeit, war sein enormes Arbeitspensum. Neben seinen Aufgaben bei der Flotte saß er auch im Rat, war zuerst Präses der Rentkammer und etwas später Präsident des neu eingerichteten Kommerzkollegiums; auf seinem Gut Vira errichtete er eine Manufaktur für Degenklingen und war Stockholms erster Stadtpräsident. Wie so viele Machthaber in der Zeit des Barock war er davon besessen, zu ordnen, zu begradigen und allerlei geometrische Muster zu errichten, und in der verwinkelten Enge der Stadt ließ Fleming roden, räumen und abreißen; unter anderem schlug er Ende der dreißiger Jahre des 17 . Jahrhunderts eine glatte Schneise durch dieses gedrungene Holzhauswirrwarr, eine Schneise, die wir heute als Drottninggatan kennen. Angesichts solcher Arbeitsbelastung ist es nicht verwunderlich, dass die hohen Herren in der Ratskammer auf dem Schloss nicht selten dasitzen und mit den Fingern auf den Tisch trommeln mussten, während man auf den emsig umherhetzenden Fleming wartete.
    Wenn nichts anderes, dann trug dieses erdrückende Arbeitspensum ihm immerhin gute Erfahrungen ein. Als es wie erwartet an Geld für die Flottenrüstung im Frühjahr haperte, wusste Fleming, wie man es anstellen musste, um sich an verschiedenen administrativen Hindernissen vorbeizuschlängeln, und es gelang ihm, gegen alle Widerstände die nötigen Mittel zusammenzukratzen. Als daher die Flotte um drei Uhr am Nachmittag des 1 . Juni 1644 vor Dalarö die Anker gelichtet hatte und bei nördlichem Wind unter vollen Segeln an Rotholmen vorübergesteuert war – wo sich die junge Königin Christina mit großem Gefolge sowie Teilen des Rats und einer großen Schar von Stockholmern versammelt hatte, um die Abfahrt zu verfolgen –, war dies für Fleming persönlich ein bedeutender Triumph.
    Der warme Sommerwind trug die Flotte rasch nach Süden. Die Reise verlief ohne Dramatik. Am Morgen des 5 . Juni geriet man in einen dichten Nebel, und obwohl man

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