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verwundet (German Edition)

verwundet (German Edition)

Titel: verwundet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kühn
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großen Augen an. „Na, Sie sind so selbstsicher. Sie gehen ganz gerade und aufrecht.“
    „Möchtest du gerne stark sein?“
    Lisa nickte heftig.
    „Wieso denkst du, dass du es nicht bist?“
    Lisa senkte den Kopf. „Ich weiß nicht. Ich fühle mich so klein und unbedeutend. Niemand mag mich, niemand interessiert sich für mich, ich bin allen egal.“ Sie hob den Kopf. „Außer Ihnen.“
    „Und was ist mit Herrn Wiebke?“
    Lisa lächelte. „Ja, ich glaube, er mag mich auch. Er kommt alle zwei Tage, und ich kann ihm alles erzählen.“
    „Dann sind das also schon drei Menschen, die dich mögen.“
    „Drei?“
    „Frau Kaufmann gehört doch auch dazu.“
    „Ich weiß nicht, ob sie mich mag.“
    „Sie hat dich bei sich aufgenommen, als deine Mutter gestorben ist. Macht man das, wenn man einen Menschen nicht mag?“
    „Ja, aber...“
    „Ja?“
    „Jetzt, da sie mich besser kennt, mag sie mich bestimmt nicht mehr.“
    „Du glaubst also, dass man dich, wenn man dich erst einmal besser kennengelernt hat, nicht mehr mag?“ Lisa zog die Stirn kraus und schwieg.
    Die Ärztin sah auf die Uhr. „Lisa, die Zeit ist um. Denk doch einfach mal über meine letzte Frage nach.“
    *
    Als Harald um kurz vor sieben Uhr im Poseidon saß, war er aufgeregt wie schon lange nicht mehr. Er kam sich vor, als hätte er seine erste Verabredung mit ihr. Als er Angelika auf sich zukommen sah, wurden seine Hände feucht. Die griechische Kellnerin führte sie an seinen Tisch. Harald erhob sich, begrüßte sie und half ihr aus dem Mantel. Sie trug eine rote Bluse, gegen die sich ihre dunklen Haare gut abhoben, und einen schwarzen langen Rock.
    „Deine Lieblingsfarben sind grau, schwarz und rot.“
    „Das stimmt.“
    Er hängte den Mantel an den Haken des Garderobenständers „Schön, dass du kommen konntest.“ Er rückte den Stuhl für sie zurecht und wartete, bis sie sich hingesetzt hatte. Die Griechin stand in der Nähe und sah ihm zu. Ihr Gesicht verriet, dass er sie beeindruckte. Er hätte lieber Angelika beeindruckt. Er fühlte ihre Zurückhaltung und wollte gerade etwas sagen, als die Kellnerin an den Tisch trat. Sie legte ihnen Karten hin und empfahl ein Tagesgericht. Gegrillten Fisch. Harald entschied sich spontan dafür. Er beobachtete Angelika, und wieder fiel ihm ihr ernster Gesichtsausdruck auf.
    „Es tut mir leid“, entfuhr es ihm.
    Sie sah ihn an.
    „Es tut mir leid, dass ich dir wehgetan habe. Ich...“
    Die Kellnerin, die wohl annahm, dass sie gewählt hatten, trat an den Tisch und fragte nach ihren Wünschen. „Hast du dich schon entschieden?“ fragte er Angelika. Sie nickte und bestellte einen Vorspeisenteller. „Möchtest du Wein?“
    Sie verneinte, und so bestellen sie zwei Apfelsaftschorlen. Die Kellnerin verschwand.
    Er dachte an das Gespräch mit Katja und sagte: „Ich habe dir nicht geschrieben, weil ich angenommen habe, dass du keinen Wert darauf legst.“
    „Ich habe mich immer für dich und deine Sachen interessiert.“
    Betrübt starrte er vor sich auf den Tisch. Er hatte noch ihren Vorwurf im Ohr. Was sollte er schon darauf sagen?
    Ihre Stimme klang sanft, als sie fragte. „Wieso hast du dann ein Geschenk für mich gekauft?“
    Nach kurzem Nachdenken sagte er: „Vermutlich hatte ich Angst, nicht die richtigen Worte zu finden.“
    „Deine Karten an Katja sind sehr wortgewandt, und Lisa hat erzählt, dass sie deine Briefe sehr lebendig fand.“
    „Kennst du das nicht selber? Du kannst wunderbar reden, und wenn dir dann jemand ganz viel bedeutet, fehlen dir einfach die Worte? Ich habe Dutzende Briefe an dich begonnen und sie dann wieder zerrissen.“
    „Schade!“
    In ihrer Stimme klang echtes Bedauern mit, und so reichte er ihr seine beiden Geschenke und sagte: „Bitte mach sie auf.“
    Sie begann mit dem flachen Paket und holte ein dickes, schwarzes Buch heraus. Es war weich und biegsam, und es stand kein Titel darauf. Sie schlug es auf. Reisebericht Norwegen 1988 Für Angelika In Liebe Harald Überrascht sah sie ihn an und blätterte dann das Buch durch. Seine Schrift war klein, aber gut lesbar, und auf vielen Seiten klebten Fotos, die Landschaften und Vögel zeigten.
    Sie sah hoch. „Werden dir diese Erinnerungen nicht fehlen?“
    „Ich habe es zweimal. Ich habe dies hier für dich gemacht, indem ich mein Exemplar abgeschrieben und noch zusätzlich die Fotos für dich hinein geklebt habe. Außerdem stehen in deinem Buch noch mehr Informationen über die einzelnen Vogelarten drin, die

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