verwundet (German Edition)
andere Seite.
Harald griente. Die drei schienen schon ordentlich getrunken zu haben. Es stellte sich heraus, dass sie Franziska, Petra und Kerstin hießen. Franziska, die rechts von ihm saß, bestellte Sekt für alle, und als der Barkeeper jedem ein Glas hinstellte, schlug die Rothaarige, Petra, vor, Brüderschaft zu trinken.
„Wir duzen uns doch bereits. Gib es zu, du willst ja nur den Wolf küssen“, sagte Kerstin kichernd und alle lachten.
„Warum denn auch nicht. Oder hat der Wolf etwa was dagegen?“ fragte Petra und sah Harald herausfordernd an.
„Da müsste ich ja blöd sind“, grinste Harald. Er griff nach seinem Glas, trank mit allen dreien Brüderschaft und gab jeder einen Kuss. Die drei gackerten wieder und Harald amüsierte sich köstlich und fragte sich, wie viel Alkohol die drei wohl schon getrunken hatten. Sie flachsten eine ganze Weile miteinander herum, und nach der nächsten Runde Sekt forderte ihn Petra zum Tanzen auf. Harald war froh, dass das Orchester gerade alte Popsongs spielte, auf die es sich frei improvisiert gut tanzen ließ. Nach dem dritten Tanz kamen Kerstin und Franziska und beschwerten sich bei Petra, warum sie den Wolf so lange mit Beschlag belege, sie wollten schließlich auch mal das Tanzbein mit ihm schwingen. Nachdem er mit jeder von ihnen getanzt hatte, stellte er sich wieder an die Bar und sah sich verstohlen nach Angelika um. Schließlich entdeckte er sie. Sie stand gar nicht so weit weg von ihm, unterhielt sich noch immer mit dem Mann, um dessen willen sie ihn hatte stehen lassen. Der ältere Herr wirkte ausgesprochen sympathisch. Er erzählte und gestikulierte wild mit seinen Armen. Offenbar amüsierte sie sich sehr, denn sie lachte herzlich. Harald fühlte ein schmerzhaftes Ziehen in seinem Inneren. Er bekam nicht mit, dass Petra ihn ansprach. Erst als sie mit ihrem Sektglas an seines stieß und fragte: „He, Wölfchen, wohin starrst du so?“ riss er sich los. „Wie kommt es, dass so ein hübscher Wolf wie du sich hier alleine herumtreibt?“ Zum Glück musste er nicht antworten, denn im selben Augenblick tauchte eine Frau auf und zog Petra mit sich. Er sah sich wieder nach Angelika um. Sie tanzte inzwischen mit dem Weißkopf und amüsierte sich anscheinend immer noch sehr. Mit langen Schritten erreichte er die andere Seite des Saales, wo zwei Flügeltüren einen Weg ins Freie wiesen, und tatsächlich gelangte er in einen Garten. Er lehnte sich an einen Baum, zündete sich eine Zigarette an und starrte in die Luft. Lampen beleuchteten den Garten und die weiter rechts liegenden Tennisplätze. Er starrte den Vollmond an. Er wirkte heute riesig. Harald kam sich klein vor. Uralter, weiser Mann, dachte er, du standest schon am Himmel, als ich noch ein Nichts war, und du wirst auch noch dort stehen, wenn ich bereits wieder ein Nichts bin. Du weißt wenigstens, wo du hingehörst. Gierig zog er an seiner Zigarette und sah dem Rauch nach. Schließlich warf er den Stummel weg. Es hatte ja doch alles keinen Sinn. Er würde jetzt noch seinen Wein austrinken und dann gehen. Er ging wieder hinein, stellte sich an die Bar und wollte nach seinem Glas greifen, das inzwischen jedoch verschwunden war. Neben ihm weckte eine Gruppe sein Interesse, in der über eine Faust-Inszenierung debattiert wurde. Auch Rembrandt und Angelika standen dort. Sie hörten zu, und bald mischte sich Holger in die Diskussion ein. „Für mich sind Will Quadflieg und Gustav Gründgens unschlagbar in ihren Rollen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das je zu überbieten sein wird.“
Der Weißkopf von Angelika sagte: „Tja, aber leider stehen sie ja nicht mehr zur Verfügung. Soll man jetzt aufhören, Faust aufzuführen?“ Er bemerkte, dass Harald die Diskussion aufmerksam verfolgte, lachte ihn an und sagte: „Was sagen Sie dazu?“
„Dieses Thema wird die Menschen immer bewegen. Allerdings muss ich zugeben, dass Gründgens schon wirklich ein sehr diabolischer Darsteller war, wahrscheinlich wie im richtigen Leben.“
„Sie spielen auf seine Rolle im Dritten Reich an?“
„Na ja, er konnte der Verführung schließlich auch nicht widerstehen.“
Der Weißkopf nickte.
Franziska platzte in die Stille. „Interessant, was der gutaussehende Wolf so alles weiß!“
Der Weißkopf reichte ihm die Hand. „Herbert Fließ.“
„Harald Wiebke.“
„Angenehm. Sie haben sicher Klaus Manns Roman Mephisto gelesen?“
„Lange her. Ich...“ Petra unterbrach ihn. „Faust hin oder her. Ich würde jetzt
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