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verwundet (German Edition)

verwundet (German Edition)

Titel: verwundet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kühn
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heulen. „Du bist so gemein, ich hasse dich!“ Sie wandte sich um, der Pfleger wollte sie instinktiv festhalten, doch sie entwischte ihm und rannte den Flur entlang. Der Pfleger folgte ihr. Harald wurde noch bleicher. Er hatte befürchtet, dass sie Theater machen würde, aber dieser Ausbruch zerrte an seinen ohnehin schon überstrapazierten Nerven. Erschöpft ließ er sich wieder auf den Stuhl sinken und stützte den Kopf in seine Hände. Wie durch einen Nebel hörte er jemanden seinen Namen sagen.
    „Harald? Harald?“
    Plötzlich fasste ihn jemand an der Schulter. Er hob den Kopf. Angelika saß in der Hocke vor ihm. Er zuckte zusammen, als er ihr Gesicht so dicht vor sich hatte. Er rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht und stand auf.
    „Was ist mit dir?“
    „Nichts. Bisschen viel gearbeitet.“
    Sie hatte sich ebenfalls wieder erhoben. „Gearbeitet?“ Ihre Stimme verriet, dass sie ihm nicht glaubte.
    „Was willst du hören?“ fuhr er sie an.
    „Vielleicht, warum du so schlecht aussiehst?“
    Er konnte sich nicht zurückhalten und stieß hervor „Vielleicht, weil ich dich vermisse? Vielleicht, weil ich solch große Sehnsucht nach dir habe, dass ich nicht schlafen und nicht essen kann, vielleicht, weil ich arbeite wie ein Stier, um dich vergessen zu können?“ Er schnalzte mit den Fingern. „Ach, ich vergaß. Ich kann ja gar nicht lieben, weiß gar nicht, was das ist. Ja, dann weiß ich auch nicht, was das für komische Symptome sein könnten.“ Er drehte sich um und eilte mit langen Schritten davon.
    *
    „Lisa, du kannst mir alles sagen.“
    Lisa verschränkte die Arme vor ihrem Körper und sah FrauDr. Dunkelmann ängstlich an. „Nein, ich kann nicht.“
    „Warum nicht?“
    „Weil es mir peinlich ist.“
    „Lisa. Nichts muss dir peinlich sein. Wir kennen uns doch schon eine ganze Weile. Du vertraust mir doch?“ Lisa nickte, schwieg jedoch.
    „Hast du heute Nacht etwas geträumt?“
    „Ich habe kaum genug geschlafen, um zu träumen.“
    „Hattest du wieder Angstzustände?“
    „Nein, ich war einfach zu aufgewühlt.“
    „An was hast du gedacht?“
    „An Sie!“ Lisa bereute schon ihre spontane Antwort, doch das Gesicht der Ärztin blieb gleichbleibend freundlich. Zögernd fuhr sie fort. „Ich habe mir gewünscht, Ihr Gesicht berühren zu können.“
    „Warum möchtest du das?“
    Lisa schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht, es ist eben so.“
    „Versuche in dich hineinzuhorchen und herauszufinden, warum du das möchtest, es könnte aufschlussreich sein.“
    „Nein, ich will es gar nicht wissen!“ Lisas Stimme klang fast panisch.
    „Warum nicht? Es ist immer sehr interessant und kann uns oft helfen, uns selbst besser verstehen zu lernen. Wir müssen lernen, unsere Wünsche und Neigungen zu hinterfragen, um die Beweggründe herauszufinden, die uns treiben. Oft löst das Probleme, die wir schon ein Leben lang mit uns herumtragen.“
    „Nein, nein! Sie verstehen nicht. Es ist ganz anders, als Sie glauben. Ich bin einfach so gestrickt, ich kann nichts dafür.“
    „Wie bist du denn gestrickt?“
    „Ich bin eben nicht normal.“
    „Was bedeutet normal für dich?“
    „Oh, warum hören Sie niemals auf, zu fragen?“
    „Weil es wichtig ist!“
    „Hätte ich doch nie etwas gesagt, ich blöde Kuh. Jetzt reiten Sie wieder ewig darauf herum.“
    „Okay, reden wir von etwas anderem.“
    Lisa war überrascht, damit hatte sie nicht gerechnet. Sie war erleichtert, und doch murrte eine leise Stimme in ihr unzufrieden. Doch sie schob den Gedanken beiseite. „Hast du in den letzten Tagen etwas gezeichnet?“ Wieder die falsche Frage. Lisa wollte ihr nicht sagen, dass sie sie gezeichnet hatte. „Ach, nichts besonderes.“ In dem Moment, als sie das ausgesprochen hatte, wusste Lisa, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Die Ärztin hatte ihr gesagt, dass gerade dann, wenn sie nichts besonderes gedacht oder gemacht hätte, mehr dahinter stünde, als Lisa sehen wolle.
    Frau Dr. Dunkelmann hob kurz die Augenbraue und stand dann auf. „Lisa, für heute wollen wir es gut sein lassen. Übrigens bin ich jetzt eine Woche nicht da. Wenn du möchtest, kannst du dich während dieser Zeit an Frau Dr. Spatz wenden.“
    Lisa zuckte zusammen. Eine ganze Woche würde sie sie nicht sehen, nicht mit ihr sprechen können! Was für eine entsetzliche Vorstellung! Ängstlich fragte sie: „Habe ich etwas falsch gemacht?“
    Frau Dr. Dunkelmann schüttelte den Kopf. „Ich fahre auf einen Ärztekongress,

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