Verzauberte Herzen
verlockendes Gesicht. Die angedeuteten
Grübchen verliehen ihren Wangen etwas Liebreizendes. Ihre Lippen waren voll,
ihre Haut war weiß und weich wie Samt.
»Diese
verdammten Rohlinge«, murmelte er und zog an ihren Fesseln. »Haben sie
zusammengeschnürt wie ein Opferlamm. Ich sollte meine Pistole nehmen und ein
paar von ihnen erschießen.«
»Dann
würden sie nur glauben, dass dir ihre Spende nicht hübsch genug ist.«
Der Drache
warf seinem Freund einen finsteren Blick zu. Der Regen wurde wieder heftiger,
und er zwinkerte mit dichten Wimpern. Die durchnässten Seile wollten sich nicht
aufknoten lassen. Er entdeckte die tiefen, wund gescheuerten Kerben, die ihr
die Fesseln in die Oberarme gedrückt hatten und fluchte noch heftiger. Als er
ihr die Handgelenke massierte, um die Durchblutung wieder besser in Gang zu
bringen, fing sie zu wimmern an.
Endlich war
das letzte Seil entknotet. Der Drache fing sie auf, als die menschliche Opfergabe
zusammensackte, und trug sie auf seinen Armen zum Schloss.
Sein
Begleiter war auf einmal sehr sachlich. »Hältst du das für klug? Was ist, wenn
sie dein Gesicht ...?«
Er brauchte
nichts weiter zu sagen. Der Drache wusste nur zu gut um die Folgen einer solchen
Unachtsamkeit.
Er drehte
sich um, und die goldene Haarpracht des Mädchens strömte ihm wie ein
Wasserfall über den Arm. »Was soll ich deiner Ansicht nach sonst mit ihr
machen? Soll sie hier draußen absaufen wie ein ausgesetztes Kätzchen?«
Ein Donnerschlag
ließ den Frauenkörper erbeben und die Antwort seines Freundes im Lärm
untergehen. Der Himmel öffnete seine Schleusen, und sintflutartiger Regen
setzte ein. Er drückte die zitternde Frau an seine Brust und hastete auf die
Burg zu. Der Drache hatte gar keine andere Wahl, als sie in seine Höhle
mitzunehmen.
Gwendolyn macht sich erst gar nicht die Mühe,
die Augen zu öffnen. Sie streckte sich nur und schnurrte zufrieden. Sie hätte
nie gedacht, dass es im Magen eines Drachen so gemütlich sein würde. Ganz im
Gegenteil. In der Sekunde, in der dieses Ding aus dem Dunkel auf sie
losstürzte, und die ihr wie eine halbe Ewigkeit erschienen war, hatte sie
ausreichend Zeit gehabt, sich vorzustellen, wie ihr Fleisch mit Flammenzungen
von den Knochen gebrannt oder von kochender Säure zerfressen würde.
Sie drehte
sich auf die Seite und drückte ihr Gesicht in das dicke, weiche Kissen.
Verglichen mit dem stechenden, heidekrautgefüllten Bett, das sie sich mit
Kitty teilte, erschien ihr dieses Lager wie ein Nest aus Daunen. Ein schwerer
Duft wie Weihrauch und Sandelholz lag in der Luft. Vielleicht, überlegte sie
versonnen, war sie gar nicht im Bauch eines Drachen, sondern im Himmel.
Sie war nun
vollständig wach und spannte ihre Muskeln. Sogar der sanftmütige Reverend
Throckmorton hatte häufiger über die Qualen der Hölle gepredigt als über die
Freuden des Himmels. Bis zu diesem Augenblick hatte sie weder an das eine noch
an das andere richtig geglaubt. Genauso wenig wie an Drachen.
Bevor sie
die Augen aufschlug und sich aufsetzte, holte sie noch einmal tief Luft und
atmete vor Erstaunen pfeifend wieder aus, als sie ihrer Umgebung gewahr wurde.
Diese Art von Himmel war luxuriöser und dekadenter als alles, was der
gottesfürchtige Priester sich je vorzustellen gewagt hätte!
Sie trieb
auf einem schimmernden Meer aus nachtblauem Satin. Die vier weiß gebeizten,
geschnitzten Pfosten ihrer Bettstatt schraubten sich in bizarren Windungen nach
oben. Brennende Kerzen umstanden ihr Bett – nicht aus stinkendem Talg, sondern
aus duftendem Wachs, das in anmutigen Kaskaden die Arme der Kandelaber
hinabgelaufen war. Die Kerzen warfen einen Ring aus flackerndem Licht nach oben
zur Decke und lenkten Gwendolyns Aufmerksamkeit auf das Gemälde in der Kuppel.
Nackte
Frauen, antike Göttinnen ebenso wie Sterbliche, vergnügten sich auf einer Wiese
in verblasstem Pastell. Ihre ausladenden Formen ließen Gwendolyn sich schlank
wie Kitty
fühlen. Da war Persephone, die den Frühling verlassen hatte, um sich dem Herrn
der Dunkelheit hinzugeben; Ariadne geleitete ihren Geliebten durch des
Monsters Labyrinth; Cupido beobachtete Psyche, die in ihrem Bett aus Blumen
erwachte, und verbarg dabei sein schönes Gesicht vor ihren neugierigen Blicken.
Gwendolyn
war von den schamlosen Schönheiten so betört, dass sie kaum spürte, wie ihr
die Decke von den Schultern glitt. Sie hätte es auch nicht bemerkt, wäre da
nicht dieser heftige Atemzug gewesen, der nicht der ihre war. Sie
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