Verzauberte Herzen
seine Geschenke
zu werfen. Sie war entschlossen, keines davon anzunehmen, außer dem Nachthemd,
das sie am Leibe trug, und der Erinnerung an einen Kuss, der so süß war, dass
sie den Rest ihres Lebens damit zubringen würde, sich zu fragen, ob sie ihn nur
geträumt hatte.
Sie nahm
das Fenster in Augenschein. Sie hatte sich seinerzeit schon aus engeren
Löchern herausgewunden. Als Kind hatte sie sich einmal in einem hohlen
Holunderstamm versteckt, bis die Nacht hereinbrach, während Ross und seine
Kumpanen die Wälder nach ihr durchkämmten, um sie in ihrem ruppigen
Nagel-den-Schwanz-fest-Spiel den Esel spielen zu lassen.
Sie ließ
den Sonnenschirm auf dem Tisch liegen und kletterte mühselig auf den Stuhl.
Dann streckte sie beide Arme durch das Fenster und grub ihre Finger in den
rauen Stein der Außenwand. Sie hievte sich aufwärts, bis ihre Zehenspitzen nur
noch knapp die letzte Sprosse der Rückenlehne berührten. Die aufgehende Sonne
schimmerte in der fernen Dünung und bot ihr einen atemberaubenden Anblick. Das
Meer war an diesem Morgen ruhig, die Brandung flüsterte zärtlich, anstatt zu
tosen. Der salzige Geschmack der See spülte das verführerische Aroma von
Sandelholz und Gewürz hinweg.
Mit
wachsender Zuversicht strampelte Gwendolyn angestrengt los. Sie bugsierte
gerade ihre Hüften durch das Loch, als sie das Geräusch hörte.
Bum,
Bum, Bum.
Sie
erstarrte. In ihrem Eifer, sich von Lord Drachen zu befreien, hätte sie fast
die Bestie unterm Bett vergessen. Es schien jedoch, als habe die Bestie
ihrerseits sie nicht vergessen.
Sie sah
sich fast selbst, ein saftiger Happen, der hilflos mit den Beinen in der Luft
zappelte, während er halb im, halb aus dem Fenster hing. Sie holte tief Luft
und stieß ihre Arme verzweifelt nach vorne, um ihre Hüften zu befreien. Sie
rührten sich kein Stück. Nicht nur, dass sie nicht vorwärts kam – sie konnte
auch nicht mehr zurück.
Das
bedrohliche Bum-Bum der tigernden Pfoten verstummte auf einmal.
Gwendolyn hörte zu zappeln auf und hielt die Luft an. Das Ding klapperte
unheilvoll, als es vom Boden auf den Tisch und vom Tisch auf den Stuhl sprang.
Gwendolyn kniff ihre Augen zu, biss die Zähne zusammen und wartete darauf, dass
die größte Ratte, die Schottland je gesehen hatte, ihre rasierklingenscharfen kleinen
Beißer in ihre Fußknöchel bohren würde.
Etwas
streifte ihre herabhängenden Zehen – plüschig warm und weich wie Lammfell.
Gwendolyn riss die Augen auf, als ein weiteres Geräusch an ihre Ohren drang,
ein Geräusch, das so sanft und unverkennbar war wie das Rauschen des Meeres –
ein tiefes, kehliges Schnurren.
Sie war so
damit beschäftigt, der grummelnden Musik zu lauschen, dass sie nicht bemerkt
hatte, wie die Tür aufgestoßen wurde. Eine belustigte Stimme kommentierte die
Szenerie: »Sagte ich es nicht immer, Tupper? Diese Kammer hat die
vorzüglichste Aussicht im ganzen Schloss.«
9
Das
Letzte, womit der
Drache gerechnet hatte, als er die Turmtüre aufstieß, war Miss Wilders
großzügiges, aber wohlgeformtes Hinterteil vom Fenster umrahmt zu sehen.
Bei Anbruch
der Dämmerung war er endlich in einen tiefen traumlosen Schlaf gefallen, nur
um vom erstickten Schrei eines
Frauenzimmers geweckt zu werden. Er drehte sich um, zog ein Kissen über den
Kopf und glaubte, es sei nur der Widerhall eines der vielen Albträume gewesen,
die ihn heimsuchten, seit er an diesen Ort gekommen war. Aber dann riss ihn
ein gellendes Scheppern aus dem Schlaf, und er saß kerzengerade in seinem
behelfsmäßigen Bett.
Er
befürchtete, seine Gefangene habe Hand an sich gelegt, zog eilig Hemd und
Kniehosen an, rannte die Treppen hinauf und traf am Treppenabsatz auf einen
gleichermaßen verstörten Tupper. Der Drache war so erpicht, zu Gwendolyn zu
gelangen, dass er sogar vergessen hatte, sein Gesicht zu verbergen.
Es sah so
aus, als habe Miss Wilder tatsächlich Hand angelegt, allerdings auf weniger
tragische Weise, als er befürchtet hatte. Zumindest nicht, was ihn und Tupper
anging.
Ihre Beine
baumelten, vom zerrupften Saum ihres Nachthemds nur notdürftig bedeckt, über
einer Art Leiter, die sie sich aus Tisch und Stuhl zusammengeschustert hatte,
was den beiden zum einigermaßen schockierenden Anblick weicher weiblicher
Waden verhalf. Der Drache drehte sich zu Tupper um und fand seine arglosen,
braunen Augen zu runden Zimttalern geweitet.
Er
widerstand der Versuchung, Tupper vorm Gesicht in die Hände zu klatschen, nahm
seinen Freund am Ellbogen und
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