Verzauberte Herzen
führte ihn aus der Kammer. »Am besten, du gehst
außen herum zum Fußweg und probierst es von dort aus.«
Tupper
versuchte noch, sich wieder umzudrehen. »Diese Seite sieht mir aber wesentlich
verlockender aus. Wäre es nicht besser, wenn ich –«
»– genau
das tue, worum ich dich gebeten habe?«, beendete der Drache den Satz an seiner
Stelle und schubste ihn nicht allzu höflich zur Treppe.
Tupper
schob seine Unterlippe wie ein schmollendes Kind nach vorn, aber er gehorchte.
Der Drache wandte sich wieder der Kammer zu. Noch bemerkenswerter als die
Zwangslage, in der sich Miss Wilder befand, war Toby, der auf der obersten
Sprosse der Lehne balancierte und mit seinem großen, wolligen Kopf gegen ihre
Fußsohlen drückte. Der Drache spitzte die Ohren und lauschte ungläubig. Das
streitsüchtige Vieh schnurrte doch glatt!
Der Kater
zuckte verächtlich mit den Schnurrhaaren und räumte das Feld, als er sich dem
Tisch näherte. Gwendolyn hing einfach nur da. Ihr Schweigen gab ihm zu
verstehen, dass sie wusste, wer hinter ihr stand.
»Ich
glaube, Sie haben Ihren Sonnenschirm vergessen, Miss Wilder«, rief er, während
er mit einem Finger über den rüschenbesetzten Schirm fuhr. »Ich fürchte, es
wird ohne ihn noch schwieriger, zu Boden zu schweben.«
»Ich
hoffte, an einem Felsen zu zerschmettern«, erwiderte sie mit erstickter, aber
vernehmlicher Stimme. »Dann wären mir Ihre andauernden verletzenden Witzeleien
erspart geblieben.«
Der Drache
musste unfreiwillig lachen. »Soll ich versuchen, Sie nach drinnen zu ziehen?«
»Nein
danke. Ich will in die andere Richtung.«
»Das dachte
ich mir schon.«
Er
entfernte den Stuhl und schwang sich behände auf den Tisch. Gwendolyns Beine
fuhren durch die Luft, ohne Halt zu finden. Er packte ihre Fußknöchel, um sie
ruhig zu stellen.
»Na bitte,
Miss Wilder. Haben Sie keine Angst. Es ist alles in Ordnung. Ich hab Sie
jetzt.«
Gwendolyn
befürchtete, dass aus genau diesem Grund nichts je wieder in Ordnung sein
würde. Der Drache grummelte sanfter als Toby geschnurrt hatte. Aber Gwendolyn
wusste, dass er bluffte. Die warmen Hände an ihren bloßen Knöcheln
suggerierten Sicherheit, wo nur weitere Gefahr lauerte. Ihr Verdruss steigerte
sich nochmals, als ihr siedend heiß einfiel, dass sie es unterlassen hatte,
unter ihrem Nachthemd eine Unterhose anzuziehen. Falls diese starken, schlanken
Finger vom rechten Wege abkommen sollten ...
»Tupper
kommt von der anderen Seite«, verständigte er sie. »Er muss erst ganz nach
unten gehen und über ein paar Felsbrocken klettern, um zu Ihnen zu gelangen.
Das dürfte einige Minuten dauern. Aber vielleicht bekomme ich Ihre Beine ja
besser zu fassen ...?« Seine Hände schoben sich langsam ihre Waden hoch.
»Nein!«,
rief Gwendolyn und wand sich ungestüm. »Ich zöge es vor, zu warten, bis Mr.
Tuppingham eintrifft, falls es Ihnen nichts ausmacht.«
»Solange
Sie warten, möchten Sie mir vielleicht erklären, wie Sie sich in Ihre
gegenwärtige ... äh ... missliche Lage gebracht haben?«
Sie
seufzte. »Als ich erwachte, saß eine Art Tier auf meinen Füßen.«
»Das kann
nur Toby gewesen sein. Der Halunke muss sich letzte Nacht in Ihre Kammer
geschlichen haben, als die Tür nur angelehnt war.«
Gwendolyn
wollte jetzt nicht an den nächtlichen Besuch des Drachen denken und schon gar
nicht daran, wie ihrer beider Lippen zu einem betörenden Kuss verschmolzen waren,
den es nie hätte geben dürfen.
»Haben Sie
Angst vor Katzen?«, fragte er.
»Ganz im
Gegenteil, ich liebe sie.« Gwendolyn hätte niemals zugegeben, dass sie den
Kater für einen Kobold gehalten hatte. »Ich dachte, es sei ... eine Ratte
gewesen.«
Der Drache
lachte. »Wenn ich aufwachte und auf meinen Füßen eine fast zwölfeinhalb Kilo
schwere Ratte vorfände, würde ich auch aus dem nächstbesten Fenster springen.« Gwendolyn
stockte der Atem, als er gedankenverloren begann, mit der Fingerspitze ein
Muster auf ihre Haut zu zeichnen. »Ich denke, ich sollte versuchen, Sie allein
hereinzuholen. Tupper scheint keinerlei Fortschritte zu machen.«
»Nein, ich
glaube, ich höre ihn gerade kommen«, rief sie freudig aus, obwohl sie nur ein
entferntes Knirschen und leises Fluchen gehört hatte.
Natürlich
ignorierte er ihre Wünsche und schlang seine Arme fest um ihre Oberschenkel. Es
bedurfte nur eines heftigen Rucks seiner muskulösen Arme, um sie in seine Umarmung
gleiten zu lassen. Gwendolyn fand sich von hinten in einen Schraubstock aus
Stahl und Samt
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