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Verzauberte Herzen

Verzauberte Herzen

Titel: Verzauberte Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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vor. Er erwartete, dass sie ihm Platz machte,
aber sie lief die Treppe herunter und riss Großmutter Hay die Mistgabel aus den
Händen. Ohne auf deren verwirrtes Gekreisch zu hören, setzte sie die Mistgabel
Ailbert an die Brust. Sie zwang ihn, rückwärts zu hüpfen, wenn er nicht von den
Zinken durchbohrt werden wollte.
    »Hol dich
der Teufel, Mädchen«, winselte er, als er sich in die Reihen der Dörfler
verzog. »Hast wohl ganz und gar dein' Verstand verloren?«
    »Ich trau
mich was wetten, dass sie nicht ihr'n Verstand, sondern ihre Seele verloren
hat.« Ross' Worte ließen eine Welle der Furcht durch die Rotte laufen. »Schaut
sie euch doch an! Is' das noch unsere liebe, gute Gwendolyn Wilder?«
    Die Dörfler
brachen plötzlich in Schweigen aus. Gwendolyn fiel ein, dass Ross nie
besonders klug gewesen war. Aber gerissen war er.
    Er
stolzierte nach vorne, wobei er sich achtsam von der Mistgabel fern hielt. »Na
ja, unsere Gwendolyn war fett und hausbacken! Sie hat in'n Boden geschaut oder
in'n Buch. Sie hätt sich, ohne zu mucken, für'n Rest ihres Lebens um ihr'n
vertrottelten alten Herrn gekümmert.«
    »Mein Vater
ist ein Held!«, rief Gwendolyn empört dazwischen. »Sein Verstand war der Preis
für die Feigheit deines Vaters und jeden Mannes in Ballybliss!«
    Ailbert
erblasste, aber er unternahm keine Anstrengung, sich zu verteidigen.
    Ross'
hinterhältiges Grinsen wurde breiter. »Und welchen Preis hast du für die Gunst
des Drachen bezahlt? Deine Tugend? Deine unsterbliche Seele?«
    Er wandte
sich an seine Dorfkumpanen. »Schaut sie euch doch an – mit ihren offenen
Haaren, und den Busen drückt's ihr zum Ausschnitt raus wie 'ner Schlampe. Die
traut sich doch bloß gegen uns, weil sie weiß, dass ihr der Drache die Macht
gegeben hat, jedes Mannsbild hier zu behexen.« Ross senkte die Stimme, damit
die Dörfler sich strecken mussten, um ihn zu hören. Und sie streckten sich.
Ihre Augen musterten Gwendolyn eindringlich, während sie über seine Worte
nachdachten. »Hat sie doch selber gesagt, dass sie mit dem Vieh über
vierzehn Tage allein war. Möcht nich' wissen, was der ihr alles für Sauereien
beigebracht hat.«
    Lachlan
schluckte schwer. Sein übergroßer Adamsapfel hüpfte vor Anspannung. Sogar der
unerschütterliche Ailbert zog ein Taschentuch hervor und wischte sich die
Stirn. Seine Frau sah ihn bitterböse an.
    »Der Drache
ist kein Untier!«, rief Gwendolyn. Sie verabscheute Ross dafür, dass er aus
den Zärtlichkeiten, die sie mit dem Drachen geteilt hatte, etwas so Schmutziges
machte. »Er hat im kleinen Finger mehr Männlichkeit, als du dein ganzes Leben
lang haben wirst!«
    »Seht
ihr!«, ereiferte sich Ross. »Genau wie ich gesagt hab. Das Monster hat sie
verhext!«
    »Wie soll
er sie denn verhext haben, wenn du selber zugegeben hast, dass er ein
Sterblicher ist?«, schrie Kitty.
    Gwendolyn
schossen Tränen in die Augen. Wenn sie es noch erlebte, würde sie ihre kleine
Schwester ganz fest in den Arm nehmen.
    Ross zuckte
die Achseln. »Ich könnt mich ja geirrt haben, oder?«
    »Vielleicht
bist du ja der Verhexte«, wandte sich Gwendolyn gegen ihn. Ein nervöses Lachen
hob an.
    Das Lachen
verstummte unter Ross' wütendem Blick. »Ich sag, wir verbrennen die Dirne.«
    »Ja,
verbrennt sie!«, schwätzte ihm seine Mutter nach. Sie warf Ailbert einen
triumphierenden Blick zu.
    Die Rotte
nahm die Losung auf. Ihr Geschrei ließ Gwendolyn eisig erstarren. Der Pfahl,
an den sie sie in jener Nacht gefesselt und der Gnade des Drachen überlassen
hatten, stand immer noch mitten im Burghof zwischen die Katzenköpfe gerammt.
Nichts war leichter, als sie wieder anzubinden, ein wenig Reisig
herbeizuschaffen, um ihre Füße zu schichten und das Ganze mit ihren Fackeln in
Brand zu setzen.
    Gwendolyn
trat einen Schritt zurück, dann noch einen. Sie schwenkte die Mistgabel in
weitem Bogen. Wenn sie ihr nachsetzten, war es aus mit ihr.
    »Der Drache
hat mich nicht verhext!«, versuchte sie den Lärm zu übertönen. »Er ist kein
Monster! Er ist ein Mann! Ein freundlicher, edler Mann!«
    Die Dörfler
sammelten sich am Treppenabsatz. Das Licht der Fackeln blitzte an ihren
Schwertklingen. Glynnis und Nessa zögerten hilflos. Kitty schaffte es endlich,
sich von Niall freizumachen, aber der Mob schluckte sie sofort, als sie ihrer
Schwester zur Seite stehen wollte.
    Auf der
letzten Stufe blickte Gwendolyn in den mondhellen Himmel. Es war kein
widerhallendes Brüllen zu hören, kein geflügelter Schatten wies ihr

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