Verzaubertes Verlangen
Leben gekommen, unversehrt nach London zurückgekehrt ist.
Unsere Leser werden begeistert sein zu erfahren, dass Mr. Jones niemand anders als der Ehemann der gefeierten Gesellschaftsfotografin Mrs. Venetia Jones ist.
Mr. Jones sprach kurz nach seiner sicheren Ankunft in unserer schönen Stadt mit Ihrem ergebenen Korrespondenten. Er erklärte, er habe nach seinem tragischen Unfall im Wilden Westen unter Amnesie gelitten und sei monatelang umhergeirrt. Während dieser Zeit war er außerstande, sich den Behörden gegenüber zu erkennen zu geben. Doch jetzt, da sein Gedächtnis und seine Gesundheit gänzlich wiederhergestellt sind, erklärte er mit inbrünstiger Sehnsucht, es kaum erwarten zu können, wieder mit seiner geliebten Braut vereint zu werden.
Die begnadete Mrs. Jones, die die Aufmerksamkeit
vieler Kenner der Fotografie geweckt hat, hat das schwere Kreuz der Witwenschaft fast ein Jahr lang getragen. Ihre hingebungsvolle Trauer um ihren Gatten, den sie tot wähnte, hat die Herzen all ihrer Kunden sowie aller Bewunderer ihrer Werke berührt.
Man kann nur ahnen, welche Freude und Glückseligkeit das Herz der Lady zum Überlaufen bringen werden, wenn sie erfährt, dass ihr Mann lebendig zu ihr zurückgekehrt ist.
»Das kann doch nur ein schrecklicher Irrtum sein«, hauchte Venetia entsetzt.
Beatrice, die gerade eine Scheibe Toast butterte, hielt inne und sah sie an. »Was ist denn los, Liebes? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.«
Venetia erschauderte. »Bitte, benutz nicht dieses Wort.«
»Welches Wort?«, fragte Amelia.
»Geist«, antwortete Venetia.
Edward hielt im Kauen inne. »Du hast einen Geist gesehen, Venetia?«
»Edward, sprich nicht mit vollem Mund«, rief ihn Beatrice geistesabwesend zur Ordnung.
Artig schluckte Edward den letzten Bissen seines gebutterten Toasts herunter. »Beschreib den Geist, Venetia. War er durchscheinend? Konntest du durch ihn hindurchsehen? Oder hatte er einen festen Körper, wie ein richtiger Mensch?«
»Ich habe keinen Geist gesehen, Edward«, erklärte Venetia nachdrücklich. Sie war sich bewusst, dass sie diese Idee im Keim ersticken musste, sonst würde sich die grenzenlose Neugier ihres Bruders nicht mehr zügeln lassen. »Es steht
da etwas Unrichtiges in der Morgenzeitung, das ist alles. Das kommt in der Presse recht häufig vor.«
Ein entsetzlicher Irrtum, mehr nicht, dachte sie. Aber wie konnte so etwas passieren?
Amelia schaute sie erwartungsvoll an. »Was steht denn in der Zeitung, das dich so aus der Fassung gebracht hat?«
Venetia zögerte. »Es wird die Rückkehr eines gewissen Mr. Gabriel Jones erwähnt.«
Amelia, Beatrice und Edward starrten sie wie vom Donner gerührt an.
»Was in aller Welt?«, hauchte Beatrice und erbleichte.
Amelia schaute besorgt drein. »Gütiger Himmel, hast du dich bei dem Namen auch nicht verlesen?«
Venetia reichte ihr die Zeitung über den Tisch. »Lies selbst.«
Amelia riss ihr die Zeitung aus der Hand.
»Lass mich sehen.« Edward sprang von seinem Stuhl auf und stellte sich hinter Amelia, um ihr über die Schulter zu spähen.
Gemeinsam studierten sie den Zeitungsartikel.
»O je«, entfuhr es Amelia. »Du meine Güte. Das ist in der Tat sehr verwirrend.«
Auf Edwards Gesicht breitete sich tiefe Enttäuschung aus. »Da steht ja gar nichts über einen Geist. Da steht nur, dass Mr. Gabriel Jones, der totgeglaubt war, in Wirklichkeit am Leben ist. Das ist noch längst nicht dasselbe wie ein Geist.«
»Nein.« Venetia griff nach der Kaffeekanne. »Das ist es nicht.« Leider , fügte sie im Stillen hinzu. Ein Geist wäre bedeutend leichter zu handhaben gewesen.
»Das ist schon sehr merkwürdig, oder nicht?«, fuhr Edward
gedankenverloren fort. »Hier steht, dass dieser Mr. Jones im Wilden Westen gestorben sei. Das ist ganz so wie in der Geschichte, die wir für unseren Mr. Jones erfunden haben.«
»Das ist in der Tat sehr merkwürdig«, sagte Venetia und umklammerte den Henkel der Kaffeekanne.
Beatrice griff nach der Zeitung. »Lass mich das bitte mal sehen.«
Amelia reichte ihr wortlos die Zeitung.
Venetia schaute zu, während ihre Tante die grausame Meldung über den lebenden, atmenden, inbrünstig sehnsüchtigen Gabriel Jones und seine Rückkehr nach London las.
»Gütiger Himmel«, seufzte Beatrice, nachdem sie zu Ende gelesen hatte. Sie reichte Venetia die Zeitung zurück. Da ihr offenkundig kein weiterer Kommentar einfiel, wiederholte sie sich. »Gütiger Himmel.«
»Es muss ein Irrtum
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