Verzaubertes Verlangen
schüttelte den Kopf. »Ich bin sicher, dass er mich nicht bemerkt hat. Wie ich bereits sagte, er hat sich von mir wegbewegt. Ich war in einem anderen Korridor und habe ihn um die Ecke herum beobachtet. Nein, ich bin sicher, dass er mich nicht gesehen hat. Er hat nicht einmal gezögert.«
Gabriel trat näher an die Arbeitsfläche, von der der verschüttete Brandy tropfte.
»Fassen Sie die Flüssigkeit nicht an«, warnte sie eilig. »Und auch nicht das Glas.«
Er hielt inne und sah sie an.
»Warum nicht?«, fragte er.
Die meisten Männer wären verärgert darüber gewesen, dass eine Frau ihnen unter diesen Umständen Anweisungen gab. Von Damen wurde erwartet, dass sie hysterisch wurden und in Ohnmacht fielen, wenn sie mit einer Leiche konfrontiert wurden.
Doch Gabriel stellte weder ihren gesunden Menschenverstand noch ihr Urteilsvermögen in Frage, erkannte sie. Er wollte schlicht und einfach wissen, warum sie ihn vor dem verschütteten Brandy gewarnt hatte.
Sie holte tief Luft. »Es gibt hier nur zwei Möglichkeiten.« Sie schaute zu dem leeren Glas, dann zu Burtons leblosem Körper. »Es könnte Selbstmord gewesen sein. Das ist zumindest die übliche Erklärung in Fällen dieser Art. Doch es fällt mir schwer zu glauben, dass der Harold Burton, den ich kannte, sich mit eigener Hand das Leben genommen haben soll.«
»Was meinen Sie damit, das sei die übliche Erklärung in solchen Fällen?«
»Ich vermute, die Polizei wird zu dem Schluss kommen, dass Mr. Burton ein Glas Brandy getrunken hat, das mit Zyankali versetzt war.«
Gabriel ballte eine Hand zur Faust, dann spreizte er seine Finger wieder in einer ruckartigen Geste, so als versuche er, etwas Unangenehmes abzuschütteln, das an seinen Fingern klebte. Es erschien ihr eine seltsam hektische Bewegung für einen Mann, der sich gemeinhin so gut unter Kontrolle hatte.
»Ich denke, Sie erzählen mir besser genau, was Sie hier in der Dunkelkammer machen.«
»Das ist eine ziemlich komplizierte Geschichte.«
»Dann schlage ich vor, dass Sie sich mit dem Erzählen beeilen, bevor wir die Polizei rufen.«
»O Himmel. Die Polizei. Ja, natürlich.« Wegen des möglichen Skandals konnte sie sich später noch Sorgen machen, dachte sie .
Sie berichtete ihm in knappen Worten von den beiden Fotografien, die ihr anonym zugeschickt worden waren.
»Ich bin nicht sicher, was Burton damit beabsichtigte, aber ich vermutete, dass er mir entweder Angst machen wollte, um mich so aus dem Geschäft zu drängen, oder sogar Schlimmeres.«
»Schlimmeres?«
»Ich hatte mich gefragt, ob die Fotos als ein Vorspiel zu Erpressung gedacht wären«, gestand sie.
»Waren es kompromittierende Fotos?«
»Nein. Sie waren einfach nur … verstörend. Sie müssten sie selbst sehen, um es zu verstehen.«
»Sie können sie mir nachher zeigen. Wir werden die Fotos vorerst der Polizei gegenüber nicht erwähnen.«
»Aber sie könnten eine Spur sein.«
»Sie sind aber auch ein potentielles Mordmotiv, Venetia.«
Die Bedeutung seiner Worte traf sie wie ein Schlag. Einen Moment lang war ihr ganz schwindelig.
»Glauben Sie, die Polizei könnte denken, ich hätte Burton umgebracht, weil ich dachte, dass er mir diese abscheulichen Bilder geschickt hat?«, hauchte sie.
»Machen Sie sich keine Sorgen, Mrs. Jones. Wir werden alle nötigen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Sie in dieser Sache nicht als Verdächtige enden.«
Angst schnürte ihr das Herz zusammen. »Aber selbst wenn wir der Polizei nichts von den Bildern sagen, führt doch nichts daran vorbei, dass ich längere Zeit allein in dem Korridor war. Ich habe die Leiche gefunden. Ich kann nicht beweisen, dass jemand anderes hier drin war, bevor ich gekommen bin. Was hält die Polizei davon ab, mich zu verdächtigen, dass ich Burton das Zyankali zu trinken gegeben habe?«
»Selbst wenn die Polizei zu dem Schluss kommt, dass es sich hier um Mord und nicht um Selbstmord handelt, können wir wohl mit ziemlicher Gewissheit davon ausgehen, dass sie Ihre Unschuld nicht in Frage stellen werden.«
Ihre Verägerung über seine kühl überlegene Haltung wuchs. »Was macht Sie da so sicher, Sir?«
»Weil es jemanden gibt, der Ihnen ein ausgezeichnetes Alibi geben kann«, erwiderte Gabriel geduldig.
»Ach ja? Und wer sollte das sein?«
Er breitete seine Hände aus. »Nun, natürlich Ihr geliebter und jüngst aus dem Grab zurückgekehrter Gatte.«
»Aber ich habe keinen –« Sie verstummte abrupt. »Oh. Sie.«
»Ja, Mrs.
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