Verzaubertes Verlangen
brauchen. Venetia hat kein großes Vertrauen in Männer. Daran ist ihr Vater Schuld, muss ich leider gestehen. Sie hat ihn von Herzen geliebt, und er hat sie geliebt. Er hat all seine Kinder geliebt. Aber die traurige Wahrheit ist nun einmal, dass H. H. Milton ein Doppelleben geführt hat. Diese Familie hat teuer für seine bigamistischen Umtriebe und seine Lügen bezahlen müssen.«
»Ich verstehe.«
Edward trat näher an die Spiegelkommode, um genau zuzuschauen, wie Gabriel seine Fliege band. »Venetia hat uns verboten, Ihnen zu erzählen, was Sie heute Abend tragen wird, weil es eine Überraschung ist. Aber sie hat nicht gesagt, dass Sie nicht versuchen können, es zu erraten.«
»Nun, dann lass es mich mal versuchen.« Gabriel steckte einen schwarz-goldenen Manschettenknopf durch das
Knopfloch seines Ärmels. »Wird sie eine andere Farbe als Schwarz tragen?«
Das schien Edward zu verwirren. Dann erhellte sich seine Miene wieder. »Sie wird auch Schwarz tragen.«
»Aber nicht nur Schwarz?«
Edward schüttelte den Kopf und schaute spitzbübisch drein. »Da ist auch noch eine andere Farbe.«
»Grün?«
»Nein.«
»Blau?«
Edward kicherte. »Nein.«
»Rot?«
Edward warf sich schallend lachend auf das Bett. »Sie erraten es nie, Sir.«
»Dann kann ich ja auch gleich aufgeben und mich einfach überraschen lassen.« Gabriel wandte sich vom Spiegel ab und griff nach Jacke und Hut. »Bist du so weit?«
»Ja, Sir.«
Edward sauste zur Tür, riss sie auf und rannte die Treppe hinunter. Gabriel folgte ihm in gemessenerem Tempo, während er die Vorfreude auf den vor ihm liegenden Abend auskostete. Zugegeben, er und Venetia gingen einzig und allein zusammen aus, um Harrows anonymen Bekannten über Rosalind Fleming auszuhorchen. Und es ließ sich nicht leugnen, dass sie noch immer vielen ungelösten Rätseln und Gefahren gegenüberstanden. Nichtsdestotrotz würde er heute Abend zumindest für eine Weile allein mit Venetia in einer Kutsche sitzen, und sie hatte für diese Gelegenheit ein neues Kleid gekauft. Dieses Wissen ließ sein Blut heißer durch seine Adern fließen.
Als er den Fuß der Treppe erreichte, standen Edward und
Amelia bereits in der Diele. Erwartungsvolle Spannung lag in der Luft. Die beiden warfen verschmitzte Blicke in seine Richtung. Diese Familie war sehr gut darin, Geheimnisse zu wahren, sinnierte er amüsiert. Aber offenkundig war das Geheimnis um Venetias neues Kleid beinahe zu viel für Edward und Amelia.
»Ich habe eine Kutsche vor der Haustür gehört«, rief Beatrice vom Treppenabsatz. »Venetia, meine Liebe, es ist Zeit zu gehen.«
»Ich komme schon, Tante Beatrice«, rief Venetia aus ihrem Zimmer.
Gabriel hörte sie auf der Treppe, bevor er sie sah. Ihm blieb kaum Zeit, die Tatsache zu registrieren, dass etwas entschieden Ungewöhnliches am Klang ihrer Schritte war, als sie auch schon in sein Blickfeld kam.
»Guten Abend, Mr. Jones.« Sie musterte ihn beifällig von Kopf bis Fuß. »Ich muss sagen, Sie machen Ihrem Schneider alle Ehre.«
Er war sich bewusst, dass Edward und Amelia hinter ihm die Luft anhielten, während sie auf seine schockierte Reaktion bei Venetias Anblick warteten.
Er unterzog sie der gleichen eingehenden Musterung wie sie ihn und ließ seinen Blick über die wie angegossen sitzende schwarze Hose, das weiße Leinenhemd, die Fliege und das schwarze Abendjackett wandern.
»Sie müssen mir den Namen Ihres Schneiders geben, Mrs. Jones«, sagte er. »Ich glaube, er ist sogar noch begabter als meiner.«
Venetia lachte. »Lassen Sie uns gehen, Sir. Die Nacht ist noch jung.«
Sie setzte sich ihren Zylinder auf ihre dunkle Kurzhaarperücke,
ließ keck einen geschnitzten Gehstock kreiseln und stieg die letzten Stufen hinunter.
Mrs. Trench kam aus der Küche und trocknete sich an ihrer Schürze die Hände ab. Sie schüttelte den Kopf, als sie Venetia sah.
»Nicht schon wieder«, sagte sie. »Ich dachte, jetzt, wo ein Mann im Haus ist, hätte dieser Unfug endlich ein Ende.«
Edward riss eifrig die Haustür auf. Venetia ging hinaus zur wartenden Kutsche.
Gabriel folgte ihr.
»Waren Sie erstaunt, Sir?«, fragte Edward neugierig, als Gabriel an ihm vorbeiging.
»Eins der Dinge, die ich am meisten an deiner Schwester bewundere, ist, dass sie mich immer wieder überraschen kann«, sagte Gabriel.
Die Tür schloss sich hinter ihm. Edward und Amelias gedämpftes Gelächter folgte ihm bis zur Kutsche.
27
»Ich gratuliere, Mr. Jones«, sagte Venetia. »Sie haben
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