Verzaubertes Verlangen
und stellte es auf den Tisch neben ihrem Sessel. Sie schien es nicht einmal zu bemerken, denn ihre ganze Aufmerksamkeit war auf Pierce gerichtet.
»Glauben Sie, dass es Mrs. Bliss war, die Ihrem Freund den Erpresserbrief geschickt hat?«, fragte sie.
»Sie war die einzige Verdächtige, soweit es mich betraf. Aber ich gebe zu, dass ich mir nicht erklären konnte, wie sie an die kompromittierende Information gekommen war. Sie müssen nämlich wissen, dass der Erpresser auf gewisse Fakten anspielte, von denen nur zwei Menschen auf der Welt gewusst haben konnten, und einer von ihnen war tot.«
»Und derjenige, der noch am Leben war?«, fragte Gabriel.
Pierce trank einen Schluck Brandy und stellte sein Glas ab. »Das war ich.«
Gabriel ließ es sich einen Moment durch den Kopf gehen. »Ich gehe davon aus, dass Sie nicht der Erpresser waren.«
Pierce biss die Zähne zusammen. »Nein. Ich habe meinen Freund von Herzen gern. Ich würde niemals etwas tun, das ihm schadet.«
Und alles, um ihn zu beschützen, dachte Gabriel.
»Was macht Sie so sicher, dass Mrs. Bliss die Schuldige ist?«, fragte Venetia.
Pierce legte abermals seine Fingerspitzen gegeneinander. »Der Zeitpunkt der Erpressung.«
»Das ist alles?«
Pierce zuckte mit den Achseln. »Mehr hatte ich nicht in der Hand. Das und meine … Intuition.«
Eine Intuition, die auf einige Erfahrung mit gefährlichen Situationen gründete, vermutete Gabriel.
»Was hat Ihr Freund getan, nachdem er den Erpresserbrief erhalten hatte?«, fragte Venetia.
»Leider konnte ich ihn anfangs nicht davon überzeugen, dass Mrs. Bliss sehr wahrscheinlich die Erpresserin war. Er wollte es einfach nicht glauben.« Pierce schüttelte den Kopf. »Stattdessen hat er sich abermals Rat bei ihr geholt.«
Gabriel zog die Augenbrauen hoch. »Sie hat ihm geraten, den Erpresser zu bezahlen, stimmt’s?«
»Ja.« Pierce kniff seine Lippen zusammen. »Ich war außer mir. Aber ich wusste auch, dass mein Freund Todesangst hatte, dass seine Geheimnisse ans Licht kommen könnten. Mir war sofort klar, dass er nur zwei Möglichkeiten hatte.«
Gabriel schwenkte den Brandy in seinem Glas. »Den Erpresser zu bezahlen oder sich des vermutlichen Erpressers zu entledigen.«
Auf Harrows Gesicht spiegelte sich kurz Überraschung. Venetia machte große Augen.
Pierce musterte Gabriel beifällig und neigte zum Zeichen des Respekts den Kopf.
Zwei Jäger unter sich , dachte Gabriel.
»Aber offenkundig haben Sie Mrs. Bliss nicht auf eine persönliche Reise ins Jenseits geschickt«, fuhr er fort. »Bedeutet das, dass Ihr Freund weiterhin zahlt?«
»Nein«, erklärte Pierce tonlos.
»Was hat Sie umgestimmt?«
»Lord Ackland hat mich umgestimmt.« Pierce trank einen weiteren Schluck Brandy.
Venetia sah ihn forschend an. »Was hat er denn mit der Sache zu tun?«
Pierce blickte sie an. »Mein Freund und ich waren noch damit beschäftigt, eine Strategie zu ersinnen, als Mrs. Bliss sich urplötzlich in Luft auflöste.«
»Ein nützliches Kunststück«, bemerkte Gabriel. »Aber sie hatte ja behauptet, übernatürliche Fähigkeiten zu besitzen. Gehörte Unsichtbarkeit dazu?«
»Ich weiß nur, dass sie bei Nacht und Nebel aus ihrem Haus ausgezogen ist«, sagte Pierce. »Niemand wusste, wohin sie verschwunden war. Mir kam durchaus der Gedanke, dass vielleicht eines ihrer anderen Erpressungsopfer nachgeholfen hätte. Es war natürlich auch möglich, dass sie sich Sorgen um ihre Sicherheit gemacht und beschlossen hatte, das Weite zu suchen.«
»Was war mit den Erpresserbriefen?«, fragte Venetia.
»Es kamen keine weiteren. Die Probleme meines Freundes lösten sich wie von Zauberhand in Wohlgefallen auf.« Pierce schnippte mit den Fingern.
Harrow räusperte sich. »Aber vierzehn Tage später tauchte eine sehr geheimnisvolle, sehr kostspielig aussehende Witwe namens Mrs. Rosalind Fleming am Arm von Lord Ackland in der vornehmen Gesellschaft auf.«
»Es gab natürlich einige kleinere Veränderungen«, sagte Pierce. »Ihr Haar hatte eine andere Farbe, nur als Beispiel. Aber die erstaunlichste Verwandlung war in ihrem persönlichen Stil und Auftreten. Als Mrs. Bliss hatte sie ihre Konsultationen in sittsamen, schlichten Kleidern aus tristen, groben Stoffen abgehalten. Doch als Mrs. Fleming waren all ihre Roben nach der neusten französischen Mode gearbeitet. Und dann waren da natürlich all die Brillanten.«
»Lord Ackland ist offensichtlich sehr großzügig«, bemerkte Venetia nachdenklich.
Pierce
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