Verzehrende Leidenschaft
dort saß, wo er sie zurückgelassen hatte. Er hatte gehofft, sie wäre mittlerweile angezogen und bereit, Robertson zu begegnen, womit sie ihm die undankbare Aufgabe erspart hätte, sie zu etwas zu zwingen, das sie so offenkundig ängstigte.
»Wir müssen ihn begrüßen«, sagte er und zog sich an.
»Warum? Mungan und du könnt ihm doch alles berichten.« Sie erbebte. »Er wird außer sich geraten vor Wut.«
»Er kann dir nichts anhaben«, versicherte Tavig ihr. Er setzte sich auf die Bettkante und ergriff ihre kalten Hände. »Mungan und ich würden es nicht zulassen.«
»Ich weiß, doch in mir steckt ein kleines, verschrecktes Kind, dem mit vernünftigen Argumenten nicht beizukommen ist. Dieses Kind sagt ständig, dass Sir Bearnard kommen und sehr wütend sein wird. Und es will sich unbedingt verstecken.«
»Una geht es bestimmt genauso, aber sie wird ihrem Vater gegenübertreten. Du kannst dich nicht davor drücken. Und außerdem, Liebes, verlässt sie sich bestimmt darauf, dass du an ihrer Seite stehst. Schließlich bist du die Einzige, die versteht, wie es ihr geht, wenn sie sich diesem Mistkerl stellt und seinem Zorn die Stirn bietet.«
Moira seufzte. Er hatte recht – Una rechnete bestimmt mit ihr und brauchte sie auch. Und wenn sich Una ihrem Vater stellen konnte, dann musste auch sie sich dazu durchringen, denn sonst würde sie sich erbärmlich feige vorkommen.
Sie schlüpfte aus dem Bett. Die Aussicht, bald vor Sir Bearnard zu stehen, beschäftigte sie derart, dass es ihr gar nichts ausmachte, sich vor Tavig zu waschen und anzuziehen. Erst als sie versuchte, ihr Haar zu flechten, erinnerte sie sich wieder an ihn. Er trat hinter sie und nahm ihr die Aufgabe ab. Sie war ihm dankbar dafür, denn ihre Hände zitterten schrecklich.
»Vielleicht solltest du es so sehen, dass du dich jetzt endgültig von diesem Mann verabschieden wirst.«
»Ja, das könnte helfen.«
Nachdem er ihr einen Zopf geflochten hatte, nahm er sie in die Arme und küsste sie liebevoll. »Ich wünschte, du müsstest nicht mitkommen. Ich zwinge dich höchst ungern zu einer Aufgabe, bei der du so erbleichst und zitterst, wie du es jetzt tust. Mit Robertson werde ich schon fertig, aber ich bin machtlos gegen die Angst, mit der er dir bleibende Wunden zugefügt hat.«
Trotz ihrer Beklommenheit musste Moira lächeln über den Missmut, der Tavigs Gesicht verfinsterte. »Und du hasst es, dich so hilflos zu fühlen, stimmt’s?« Sie streichelte seine Wange.
»Kein Mann mag so etwas. Vielleicht ist es eitel, aber ich habe mich immer als einen Mann betrachtet, der fast alles in Angriff nehmen und lösen kann.« Er schnitt eine Grimasse und raufte sich die Haare. »Die letzten Monate haben mir viel Verdruss bereitet. Ich habe das Problem mit Iver nicht gelöst, und ich kann auch nicht heilen, was Sir Bearnard dir angetan hat.«
»Nay, so stimmt das auch wieder nicht. Du wirst das Problem mit Iver lösen, und zwar schon sehr bald, wenn auch nicht so, wie du es gern gehabt hättest. Und ich? Nay, du kannst mir die Angst nicht abnehmen, aber du hast mir beigebracht, weniger furchtsam zu sein. Das ist ein ziemlich großer Sieg. Vor zwei Wochen wäre ich bestimmt noch nicht fähig gewesen, vor meinen Vormund zu treten, egal, was du gesagt oder getan hättest. Ich hätte auf das winzige, verängstigte Kind in mir gehört und wäre einfach davongelaufen. Ich hätte mich irgendwo versteckt, obwohl ich mir sicher gewesen wäre, dass Robertson mich finden würde und ich noch zusätzlich büßen müsste, weil ich ihn dazu genötigt hatte, mich aufzustöbern.«
Sie machte sich auf den Weg. »Jetzt gehen wir wohl lieber in die Große Halle, damit wir da sind, bevor er eintrifft, und bevor ich dem Teil von mir nachgebe, der sich so feige verdrücken will.«
Er nahm sie lächelnd bei der Hand. »Du bist weitaus tapferer, als du glaubst.«
Während sie ihm in die Große Halle folgte, wünschte sich Moira von ganzem Herzen, dass er recht hätte. Ihr zog sich vor Angst der Magen zusammen, und das kam ihr wahrhaftig nicht sehr tapfer vor. Aber sie konnte Tavig nicht allein vor ihren Vormund treten lassen. Sie hatte bestimmte Dinge mit Sir Bearnard Robertson zu regeln. Wollte sie ihren Wehrturm behalten, nachdem sie Tavig verlassen hatte, musste sie Sir Bearnard klarmachen, dass sie sich von ihm nicht weiter ihr Geburtsrecht vorenthalten lassen würde. Wenn sie ihrem brutalen, tückischen Vormund nicht einmal in Begleitung von starken Männern
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