Verzehrende Leidenschaft
Haarfarbe von Heuchlern. Ein roter Bart weist auf einen boshaften, grausamen Charakter hin, und viele glauben, dass Rotschöpfe Hexen sind, die früher oder später auf dem Scheiterhaufen landen. Wenn Ihr und ich heiraten, würden wir es wahrscheinlich kein Jahr lang überstehen. Jemand würde uns bestimmt bald als Teufelsbrut bezeichnen und uns verbrennen.«
»Verbrennen, weil wir Teufelsbrut sind?« Beinahe hätte er gelacht vor Erleichterung, dass ihre Ablehnung nicht ihm gegolten hatte, sondern daher rührte, dass sie sich alle möglichen Schwierigkeiten vorstellte, die eine solche seltsame Gabe ihnen bescheren könnte. »Ich habe diese Hellsichtigkeit mein Leben lang gehabt, und noch nie hat jemand einen Holzhaufen um meine Füße errichtet.«
»Nun, vielleicht gelingt es den Menschen in Eurer Umgebung, Euch so zu nehmen, wie Ihr seid, oder sie gehen Euch aus dem Weg. Bei mir ist es genauso. Doch wir beide zusammen, das könnte bei manchen das Maß des Erträglichen übersteigen.« Vor allem, wenn bekannt wird, dass auch ich eine seltsame Gabe besitze, dachte sie.
»Nein, Ihr macht Euch grundlos so viele Sorgen.«
»Ach ja? Wollt Ihr mir etwa erzählen, dass Euch noch nie jemand über den Weg lief, der sich bekreuzigte, nachdem er von Eurer Gabe erfuhr, oder sonst eine Geste machte, um das Böse zu verscheuchen? Soll ich etwa glauben, dass noch nie jemand beschlossen hat, mit Euch so wenig wie nur möglich zu tun zu haben?«
Er schnitt eine Grimasse, als ihm einige schmerzliche Erinnerungen an solche Vorfälle durch den Kopf schossen. »Na gut, ein paar gab es schon.«
»Ein paar? Ihr versucht, mir die Wahrheit zu verheimlichen, aber man muss ihr ins Auge sehen. Ihr kennt sie genauso gut wie ich. Ich habe unter Blicken gelitten, die mich stillschweigend als Hexe brandmarkten oder als Weib, das mit dem Teufel im Bunde ist. Leute sind mir aus dem Weg gegangen aus Furcht, dass solcher Aberglauben wahr sein könnte. Einmal hat sich ein altes Weib sogar darüber beschwert, wie dürr ich bin und wie wenig Fett es geben würde, wenn ich stürbe.«
»Fett? Was für eine Rolle spielt es denn, ob Ihr fett seid oder nicht?«
»Ich hätte mir gedacht, dass jemand mit Eurer Gabe besser Bescheid wüsste über all den Aberglauben, der unter den Menschen herrscht. Das Fett eines toten Rotschopfes ist in manchen Zaubertränken sehr nützlich.«
»Das ist doch der blanke Unsinn!«
»Selbstverständlich. Aber die Tatsache, dass das, was sie glauben, blanker Unsinn ist, hat die Leute noch nie davon abgehalten, trotzdem danach zu handeln. Eine kleine Stimme in mir sagt, Eure Behauptung, in die Zukunft sehen zu können, sei der blanke Unsinn, ein anderer Teil in mir glaubt Euch jedoch und hat Angst, obwohl ich mich für sehr vernünftig halte.«
»Es macht Euch also doch Angst?« Er betrachtete sie stirnrunzelnd und bedauerte sein Geständnis. Angst gehörte wahrhaftig nicht zu den Gefühlen, die er sich von ihr wünschte. »Ihr braucht keine Angst zu haben.«
»Ach nein? Ich möchte wetten, selbst Euch ängstigt es zuweilen.«
Sie nickte, als sich seine dunkle Haut über seinen hohen Wangenknochen rötlich färbte. Sie wusste es besser als die meisten, dass einen manchmal die Angst vor der eigenen Gabe befallen konnte. »Niemandem gefällt die Vorstellung, dass jemand in die Zukunft sehen kann. Die Leute streiten sich, ob eine solche Gabe einem von Gott oder dem Teufel verliehen worden ist. Manche betrachten sie als Fluch, und das heißt ja wohl, dass sie ein Werk des Teufels ist. Allerdings behauptet Ihr, Eure Gabe habe Euch das Leben gerettet, und sie hat mit Sicherheit dazu beigetragen, meines zu retten. Also ist sie ein Segen und damit ein Geschenk Gottes. Leider wissen wir beide, dass viele Leute alles, was sie nicht verstehen, als Teufelswerk betrachten.«
Tavig fluchte leise und fuhr sich durchs Haar. »Jedenfalls möchte ich nicht, dass Ihr Euch deswegen vor mir fürchtet.«
»Na ja, richtige Furcht ist es wohl nicht, eher ein gewisses Unbehagen. Wenn ich mich vor Euch fürchten würde, dann nicht aus diesem Grund, sondern vielmehr deshalb, weil Ihr ein verurteilter Mörder seid.« Sobald ihr diese Worte über die Lippen gekommen waren, wusste Moira, dass sie ihn nicht mehr für einen ruchlosen Verbrecher hielt.
»Ich habe diese Männer nicht umgebracht«, fauchte er gereizt und setzte sich wieder in Bewegung. Diesmal zog er sie etwas ruppiger hinter sich her. »Ich habe ihre Schreie gehört«, sagte er
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