Verzehrende Leidenschaft
kann.«
»Sie hat euch allesamt verhext«, kreischte Jeanne. »Wir bringen sie alle zum Priester.«
Jeanne marschierte zur Tür, die anderen folgten ihr. Während Moira nach draußen gezerrt wurde, warf sie noch einen Blick zum Dachboden. Roberts und Marys fünf Kinder sahen entsetzt zu, wie ihre Eltern verschleppt wurden, doch sie gehorchten ihrem Befehl, sich nicht von der Stelle zu rühren. Als Nächstes sah sie Tavig an. Er wirkte sogar noch zorniger als der fluchende Robert. Moira wusste, dass Jeanne für ihr gemeines Spiel würde bezahlen müssen, egal, was passierte. Sie wünschte nur, dieses Wissen hätte ihr ein wenig Kraft verliehen; denn sie hatte das Gefühl, dass sie bald alle Kräfte brauchen würde, die sie hatte.
11
Schon ein einziger Blick in Pater Matthews kalte graue Augen zeigte Moira, dass sie von diesem Mann keine Gnade zu erwarten hatte. Ob er Jeannes haltlosen Behauptungen Glauben schenkte, war schwer zu sagen, doch er genoss ganz offenkundig die Gelegenheit, seine kirchliche Macht zur Schau zu stellen. Moira wurde angst und bange – er sah hier wohl eine Chance, sein Ansehen in der Kirche zu steigern.
»Ihr könnt diesen Unsinn doch unmöglich glauben«, rief Tavig aufgebracht. »Die Einzige, die meine Frau beschuldigt, ist keine glaubwürdige Zeugin.«
»Die Stärke einer Beschuldigung der Hexerei lässt sich nicht dadurch abschwächen, dass man das Opfer angreift«, erwiderte der Priester mit leiser, kühler Stimme, während er um Moira herumschritt. Seine lange Kutte schleifte auf den Binsen, mit denen die kleine Kirche ausgestreut war.
»Jeanne ist einzig und allein ein Opfer ihrer Eitelkeit. Sie benutzt euch nur, euch alle, um Rache zu üben. Ihr verfolgt eine Unschuldige, nur damit eine verschmähte Frau ihre Wut besänftigen kann.«
»Und warum sollte Jeanne das Gefühl haben, verschmäht worden zu sein?«, fragte Pater Matthew, wobei er Tavig kaum eines Blickes würdigte.
»Weil ich nicht mit ihr ins Bett bin.«
»Und Ihr beschuldigt Jeanne der Eitelkeit? Ich glaube, dass eher Ihr unter dieser Todsünde leidet.« Er nahm eine Strähne von Moiras leuchtendem Haar und ließ sie langsam durch die Finger gleiten. »Rote Haare, das Zeichen des Teufels.«
»Das ist genauso unsinnig! Viele Menschen haben rote Haare.«
»Ich befürchte schon seit Längerem, dass wir in diesem Land nicht wachsam genug sind. Dem Teufel wird hier zu viel Macht eingeräumt.«
»Der bösen Zunge dieses Weibes wird zu viel Macht eingeräumt. Um Gottes willen, überlegt doch nur, auf wen Ihr da hört!«
Während Tavig beherzt versuchte, Jeanne in Verruf zu bringen und ihren Vorwürfen den Boden zu entziehen, beobachtete Moira die Frau. Jeanne verstand es wirklich ausgezeichnet, ihre Kränkung und Empörung zum Ausdruck zu bringen, als ob alles, was Tavig von sich gab, nichts als bösartige Verleumdungen wären. Doch in ihren Augen zeigte sich das, was sie tatsächlich empfand – sie glitzerten triumphierend.
Ein Blick auf die Dorfbewohner ließ Moiras Hoffnung nur ein klein wenig steigen. Sie hörten Tavig zu, und viele von ihnen wirkten verunsichert und bedachten Jeanne mit unfreundlichen Blicken. Mary hatte erklärt, dass Jeanne mit fast jedem Mann im Dorf ins Bett gegangen war, und das fiel ihnen nun wohl wieder ein. Und falls ihre Mienen ein Hinweis waren, fiel ihnen noch weitaus mehr ein zu der Frau, der sie so blind gefolgt waren, Dinge, von denen sich Jeanne wahrscheinlich wünschte, sie wären in Vergessenheit geraten. Dennoch widersprach keiner ihren Behauptungen, obwohl selbst den Törichtsten unter ihnen langsam zu dämmern schien, dass der Priester aus purem Eigennutz eine Hexe bekämpfen wollte. Ihre Angst vor ihm sorgte indes dafür, dass sie den Mund hielten.
»Ruhe!«, schrie Pater Matthew. »Ihr liefert mir zwar einige Gründe, Jeannes Vorwürfe anzuzweifeln, Ihr verunglimpft sie mit jedem Wort, das Euch über die Lippen kommt …«
»Das ist keine Verunglimpfung, sondern die Wahrheit«, fiel ihm Tavig zornig ins Wort.
»Dennoch liefert Ihr mir keinen Grund, Euch mehr Glauben zu schenken als Jeanne. Die angeklagte Hexe ist Eure Gemahlin, nicht wahr?«
»Aye, Moira ist meine Gemahlin. Das tut der Wahrheit meiner Worte jedoch keinen Abbruch.«
»Ach nein? Ihr würdet doch alles Mögliche behaupten, um sie zu retten. Das zeigt mir aber nur, wie verhext Ihr seid. Ihr solltet vorsichtiger sein, mein Junge. Ihr habt Euch auf eine Hexe eingelassen. Das wiegt beinahe so schwer, wie
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